Konfliktparteien in der Ukraine unterzeichnen Abkommen

Nach Massenprotesten und Gewalteskalation scheint in der Ukraine ein weiteres Blutvergiessen in letzter Minute abgewendet: Präsident Viktor Janukowitsch und die Oppositionsführer unterzeichneten am Freitag ein Übergangsabkommen.

Frank-Walter Steinmeier (rechts) und Radoslaw Sikorski (Archiv) (Bild: sda)

Nach Massenprotesten und Gewalteskalation scheint in der Ukraine ein weiteres Blutvergiessen in letzter Minute abgewendet: Präsident Viktor Janukowitsch und die Oppositionsführer unterzeichneten am Freitag ein Übergangsabkommen.

Unter Vermittlung der EU vereinbarten die Konfliktparteien vorgezogene Präsidentenwahlen bis zum Dezember, eine Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie und eine Übergangsregierung unter Beteiligung der Opposition.

Noch am Freitagabend stimmte das Parlament in Kiew ohne Gegenstimmen für eine Rückkehr zur Verfassung von 2004. Damit wird die Macht des Präsidenten deutlich beschnitten und das Parlament gestärkt. Die Stärkung von Regierung und Parlament auf Kosten des Staatschefs war stets eine Kernforderung der Opposition gewesen.

Innerhalb von zehn Tagen soll dann eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werden, in der auch die bisherige Opposition vertreten ist. Bis September soll in einem nächsten Schritt eine Verfassungsreform erarbeitet werden.

«Normalisierung» der Verhältnisse

Überdies verpflichten sich beide Konfliktparteien, die gewaltsame Konfrontation zu beenden und auf eine «Normalisierung» hinzuarbeiten. Gegen Verantwortliche für die jüngste Gewalt soll unter Aufsicht der Regierungsbehörden, der Opposition und des Europarats ermittelt werden.

Das Parlament beschloss zugleich die Freilassung aller Demonstranten, die bei den gewaltsamen Protesten der vergangenen Tage festgenommen worden waren. Janukowitsch muss das Gesetz noch unterschreiben, damit es in Kraft tritt.

Gute Aussichten für Timoschenko

Das ukrainische Parlament stellte auch die Weichen für eine Freilassung der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Die Oberste Rada stimmte dafür, die Vorwürfe gegen die früheren Regierungschefin nicht mehr als Straftaten zu werten.

Zuvor hatte das ukrainische Parlament für die Absetzung des umstrittenen Innenministers Witali Sachartschenko gestimmt. Die Opposition macht den 51-Jährigen für brutale Einsätze der Polizei gegen friedliche Demonstranten in Kiew verantwortlich.

Zustimmung des Maidan-Rates

Eine EU-Delegation der Aussenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens, Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski, hatten die ganze Nacht hindurch in Kiew mit Janukowitsch und Oppositionsführern verhandelt. Auch Russland war mit dem Vermittler Wladimir Lukin präsent.

Als die Vereinbarung stand, holten die EU-Aussenminister die Zustimmung des sogenannten Maidan-Rates ein. Dem Gremium gehören verschiedene Gruppen von Regierungsgegnern an, die seit Wochen im Kiewer Stadtzentrum demonstrierten, darunter auch Radikale und Gewaltbereite.

Eine wichtige Radikalenbewegung «Rechter Sektor» will denn auch trotz der vorläufigen Einigung «die nationale Revolution» fortsetzen. «Diese Mitteilung beinhaltet kein klares Bekenntnis zu einem Rücktritt des Pseudo-Präsidenten», teilte die Gruppierung mit. Ziel sei daher die komplette Beseitigung des «Regimes der inneren Besatzung».

EU-Vertreter vorsichtig optimistisch

Steinmeier bewertete die Übereinkunft nach der Unterzeichnung vorsichtig optimistisch. «Das war vielleicht die letzte Chance, um einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt zu finden», sagte er. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erklärte in Brüssel: «Die EU steht bereit, um die Ukraine zu unterstützen.»

Der russische Vermittler Lukin unterzeichnete die Vereinbarung zwar nicht, weil es noch «offene Fragen» gebe, kündigte aber nach seiner Rückkehr in Moskau an, er wolle die Vermittlung in Kiew fortsetzen.

Bei brutalen Auseinandersetzungen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften in der ukrainischen Hauptstadt waren in den vergangenen Tagen mindestens 77 Menschen getötet worden. Beide Seiten geben sich gegenseitig daran die Schuld.

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