Die Konservative Partei von Premierminister David Cameron ist bei der Parlamentswahl in Grossbritannien am Donnerstag einer Prognose zufolge stärkste politische Kraft geworden. Sie kommt demnach auf 316 der 650 Sitze und verfehlt damit eine absolute Mehrheit.
Sollte sich die Prognose der britischen BBC bestätigen, schnitten die Tories deutlich besser ab als laut Umfragen erwartet und wären der klare Wahlgewinner. Camerons Partei hätte der Prognose zufolge sogar mehr Sitze gewonnen als bei der zurückliegenden Wahl 2010, als sie auf 307 Sitze kam.
Ob Cameron eine regierungsfähige Mehrheit schmieden kann, war zunächst nicht völlig klar. Sein bisheriger Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, rutschten von bisher 57 auf voraussichtlich zehn Sitze ab. Gemeinsam kämen die bisherigen Partner damit auf 326 Sitze und somit knapp über die nötige Mehrheit von 325. Die genaue Sitzverteilung dürfte erst im Laufe der Nacht feststehen, wenn die einzelnen Wahlkreise ausgezählt werden.
Die Prognose ergab ein enttäuschendes Ergebnis für Labour-Herausforderer Ed Miliband. Seine Sozialdemokraten kämen nur auf 239 Sitze und wären damit deutlich von einer Mehrheit entfernt. Der schottischen Unabhängigkeitspartei SNP sagte die Prognose im Norden des Königreichs einen Sieg und den Gewinn von 58 der 59 in Schottland zu vergebenden Sitze voraus.
Entscheidend für Europapolitik
Wahlforscher befürchten, dass die Entscheidung über die Bildung einer neuen Regierung erst in Tagen oder Wochen fallen könnte. Der Ausgang der Wahl könnte entscheidend sein für die künftige Grundausrichtung Grossbritanniens, etwa in der Europapolitik und beim Verhältnis der Landeseile untereinander.
In der von Meinungsforschern als knappste Wahl seit Jahrzehnten betitelten Abstimmung bestimmten die Bürger die Abgeordneten der insgesamt 650 Wahlkreise. Seit 8.00 Uhr (MESZ) hatten rund 50’000 Wahllokale zwischen den Shetland-Inseln im Norden Schottlands und Cornwall im Südwesten Englands bis um 23.00 Uhr (MESZ) geöffnet. Mehr als 45 Millionen Menschen waren zur Wahl aufgerufen.
Wirtschaft und soziale Themen
Amtsinhaber Cameron hatte im Wahlkampf stark auf die Wirtschaft gesetzt und den unter seiner Amtsführung erreichten Aufschwung in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gestellt. Sein Herausforderer Miliband hatte vor allem soziale Themen angesprochen, etwa die Zukunft des finanziell angeschlagenen staatlichen Gesundheitssystems NHS.
Die britische Wahl wurde in ganz Europa mit grossem Interesse verfolgt. Cameron hat im Fall einer Wiederwahl ein Referendum über den Verbleib Grossbritanniens in der Europäischen Union angekündigt. Miliband gilt als deutlich europafreundlicher.