Als Pirat hat er Schiffe geentert. Jetzt entert er Wildwestfilme. Gesehen haben wir die Handlung von «The Lone Ranger» oft genug. Aber selten wurden wir so verspielt an der Indianernase herumgeführt.
So einfach kann Reisen sein: Wer «The Lone Ranger» bucht, fährt erst mal mit dem Tram ins Völkerkunde-Museum. Das Augenzwinkern eines Wachs-Komantschen bringt sie dort auf den Flug: Ist die Phantasie des Kindes in Ihnen erst einmal in Fahrt, treffen Sie auf der Reise durch das Indianerland das altbekannte Personal der nordamerikanischen Adventure-Tourismus-Branche.
Im Urlaub immer beliebt: Verwandte am Sandstrand eingraben
Sie erfahren auf der Expedition vom indianischen Späher bald mehr über die unschöne Siedlerzeit Nordamerikas, als Sie normalerweise zu hören kriegen: «Lone Ranger» ist ein Loblied auf die filmische Wieder-Erzählkunst. Und eine subtile Abrechnung mit amerikanischen Western-Clichés.
Butch Cassidy als ironischer Chefschurke
Fast in jeder Sekunde wird Ihnen Ihr Reiseführer vor Augen führen, dass Sie ihn ebensowenig ernst nehmen sollten, wie er es selbst tut: Johnny Depp sitzt wie ein Zeitreisender in seiner Rolle, deutet sie an, übertreibt sie, spielt mal den gerissenen Flunkerer, mal den schamanischen Zauberer, so dass Sie bald nicht mehr ganz sicher sind, ob das eingeborene Animier-Personal sich über Sie lustig macht oder ob Ihnen als Zeitreisetourist die Erfahrung fehlt.
Chillen am Grill: Ist man bei Indianern zu Besuch gibts auch mal Kampfkaninchen zur Hauptspeise
Wer gerne Paint-Ball-Tage bucht oder an der Hotelbar auch mal eine Schiesserei braucht, wird nur wenig im Angebot finden: Der einsame Gesetzesmann tut den Schurken nie etwas zuleide, schon gar nicht im Namen der Gerechtigkeit. Auch wenn Sie den Showdown nicht extra bezahlen müssen: der Gesetzeshüter hält an seinem Verständnis von Gerechtigkeit fest. Auch der schlimmste Verbrecher hat bei ihm das Recht auf ein reguläres Verfahren. Henker dürfen nicht zu Mördern werden. Sie können in dieser Reise in den Westen also auch ihr Verhältnis zur Geschichte testen: sind Sie eher Ironikerin oder Zynikerin? Dann werden Sie diesen ironische Western-Aufenthalt Tarantinos zynischem Gegenentwurf «Django» vorziehen. Dort werden sie als Menschenrechtler genötigt, zum Mörder zu werden.
Action und harte Drinks: all inclusive buchen!
Kein Wunder, dass der «Lone Ranger» beim US-amerikanischen Publikum keine grosse Reiselust auslöst. Das erste Wochenende war in den USA kein finanzieller Erfolg. Wer USA-Patriotismus braucht, trifft in diesem Abenteuer-Resort eher auf die Schattenseite der ehemals britisch-französischen Kolonie. Die Vorfahren der USA-Gründer sind hinterlistig, die Siedler Diebe, die Frühindustriellen sind Schurken und selbst die Ganoven sind korrupt. Letztlich bietet Ihnen dieser Disney-Land-Aufenthalt wenig spirituelle Erfahrung, aber viel Unterhaltung. Unter Haltung müssen Sie aber nicht Kritik verstehen. Tagesausflüge in die amerikanische Mythenbildung werden in die heiklen Gebiete oberflächlich angeboten: Der Völkermord an den Indianern. Der Landraub der Siedler. Der Diebstahl der Bodenschätze. Die Versklavung der Eingeborenen.
Depp ist auch als Indianer ein grossartiger Pirat
Wäre da nicht die entwaffndende Ironie Ihres Reiseführers Johnny Depp, der mit jeder seiner Regungen zur Distanzierung beiträgt, diese Zeitreise wäre eine bitterböse Abrechnung mit dem inneramerikanischen Kolonialismus. Depp pendelt als Reiseführer zwischen sympathischem Scheitern und tolpatschigem Heldentum. Die Ironie des Rangers lässt uns bis zum Schluss die ordnende Kraft der Gerechtigkeit erleben: So bietet diese Erzählreise fast Märchenhaftes, in dem sich historische Fakten mit gestrigen Mythen lustvoll streiten.
Wer am morgen nicht gleich an den Pool will, kann hinter dem Haus auch Sprachkurse mit Einheimischen besuchen (Bild: Photo: Peter Mountain)
Wenn Sie am Ferienende wieder ins Indianer-Kunde-Museum zurückkehren, wird ihnen die Popcorn-Tüte, die sie aus dem Wilden Westen mitgebracht haben, vielleicht ein Lächeln abringen. Zum Schluss verlässt der Komantsche mit seinem Koffer voller Geschichten die Reisegruppe mitten in der Wüste. Ein Prachtsbeispiel für eine Kopfreise. Wenn im Kino die Lichter angehen, sind Sie im Museum schon fast zu Hause.
Sie können ihren Indianer-Aufenthalt zur Zeit im Kino Küchlin buchen.