Kopfreise #6: Mit «Rebelle» in Afrika

Nicht jede Reise nach Afrika muss in ein Kriegsgebiet führen. Aber fast jede Reise in ein Kriegsgebiet führt nach Afrika. Die 14-jährige Komona ist aber mehr als eine hinreissende Reiseführerin: Sie ist eine lebenskluge Poetin. Eine Reise mit ihr belohnt nicht nur Abenteurer. Kurz nach Reiseantritt könnten Sie es bereuen, diesen fabelhaften Afrikatripp gebucht zu […]

Eine fabelhafte Liebesgeschichte: «Rebelle»

Nicht jede Reise nach Afrika muss in ein Kriegsgebiet führen. Aber fast jede Reise in ein Kriegsgebiet führt nach Afrika. Die 14-jährige Komona ist aber mehr als eine hinreissende Reiseführerin: Sie ist eine lebenskluge Poetin. Eine Reise mit ihr belohnt nicht nur Abenteurer.

Kurz nach Reiseantritt könnten Sie es bereuen, diesen fabelhaften Afrikatripp gebucht zu haben: Man hat Ihnen zwar gesagt, dass Ihre Reiseführerin eine Kindersoldatin ist. Aber niemand hat Sie davor gewarnt, dass dieses Mädchen gleich nach der Ankunft im Gastland von Rebellen unten am Meer aufgefordert wird, seine Eltern zu erschiessen.

Blättern Sie aber im Reiseprospekt wird Ihnen klar: Diese Afrika-Reise ist oscar-nominiert! Und berlin-bären-prämiert! Wenn der Kanadier Kim Nguyen Sie also nach Afrika einlädt, sollten Sie nicht gleich an Rückreise denken. Schliesslich haben Sie keine Luxus-Safari gebucht, sondern eine Erlebnisreise. Und das All-Inclusive-Menu in den Armenvierteln am Meer verspricht musikalische Leckerbissen.

Unsere Reiseführerin heisst Komana, ist 14 Jahre alt (und erzählt schon weiser als ihr Grossvater). Lebensklug und leidensstark trägt dieses Mädchen seine Geschichte vor – besser: Es schreibt dem Kind, das es im Bauch trägt, einen Brief. In bester Fabuliermanier der afrikanischen Literatur führt Komana durch ihre magische Welt. Tief in der Fabel- und Zauberwelt Afrikas verwandelt sich ihr Schicksal in packende Poesie. Wer diese Reise bucht, wird sich mit jeder Minute mehr über diese afrikanische Liebesgeschichte freuen.

Wo genau in Afrika die Reise hinführt ist unwichtig: Wie wir reisen hingegen, ist zutiefst im Kontinent verwurzelt: in seinem Zauber. Seinen Rätseln. In seiner Musik. Als Komona ein patiniertes Schutztor schliessen will, gibt das Metall einen dumpfen Schrei von sich, und Komana fängt unvermittelt mit dem Geräusch an zu musizieren. Sie lauscht dem Tor, erneuert seinen Nachhall, bis ihr Klang als Filmmusik uns mit einem faszinierenden Soundtrack auf der Weiterreise begleitet.

Wenn Komona mit ihrem Liebsten Öl presst, ist es blutfarben. Wenn sie uns zum Begräbnis ihrer Eltern mitnimmt, besingt sie mit einer einzigen Träne die letzten Habseligkeiten ihrer Geister. Es sind solche Augenblicke, die diese Reiseführerin und ihre Erzählung zu einem grossen Erlebnis machen. In Berlin erhielt Rachel Mwanza für ihre Leistung einen Silbernen Bären. Sie werden mit «Rebelle» eine Augenweide buchen. Damit werden Sie jedem mit Ferienfotos überfüllten Chip anderer Reiseheimkehrer locker gegenübertreten.

Der Film läuft zurzeit im Kino Camera.

Im Kern dieser Reise steckt eine karge, herbe Liebesgeschichte. Die Erzählerin Komana macht darin eine tiefsinnige Verbeugung vor der gewaltigen Kraft dieses Kontinents: Sie erzählt Ihnen die Dinge, die sich in ihrem Dorf abgespielt haben, als geschähen sie in einer verzauberten Welt. Sie haben eine Reise gebucht, die Ihnen über jedes der Länder etwas zu erzählen geben wird, in denen in den letzten zehn Jahren Krieg herrschte:  Uganda, SüdsudanSomalia, Mali, Nigeria, Demokratische Republik Kongo und Zentralafrikanische Republik und und und…

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