Kriegerische Umsatzmonster: Der virtuelle Krieg geht weiter

Gleich zwei digitale Kriegsspiele buhlen aktuell um die Gunst der Kundinnen und Kunden: «Battlefield 1» und «Call of Duty: Infinite Warfare» – beides Spiele, die höchst erfolgreichen Franchises entstammen. In Anbetracht der unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen und der mittlerweile globalen Terrorgefahr sollte es nicht unbedingt zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten gehören, blutige Konflikte virtuell selbst nachzuspielen. Doch […]

«Battlefield 1» spielt zu Zeiten des 1. Weltkriegs.

Gleich zwei digitale Kriegsspiele buhlen aktuell um die Gunst der Kundinnen und Kunden: «Battlefield 1» und «Call of Duty: Infinite Warfare» – beides Spiele, die höchst erfolgreichen Franchises entstammen.

In Anbetracht der unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen und der mittlerweile globalen Terrorgefahr sollte es nicht unbedingt zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten gehören, blutige Konflikte virtuell selbst nachzuspielen. Doch Millionen von Spielerinnen und Spielern scheint dies nicht im Geringsten zu stören und Spiele wie jene aus den Reihen «Battlefield» und «Call of Duty» erzielen mit jedem neuen Teil Rekordumsätze. Nur Fifa-Spiele können mit den beiden Top-Marken mithalten.

Die beiden Reihen existieren seit über zehn Jahren und sind zu milliardenschweren Marken avanciert. Schlüssel des Erfolgs ist bei beiden Spielen die höchst erfolgreiche Kombination von Einzel- und Mehrspielererlebnis. Gerade der Mehrspieler-Teil sorgt für einen sehr grossen Langzeitfaktor, aktuell werden auf beiden Titeln professionelle E-Sports-Turniere veranstaltet. 

Die Einzelspielerkampagnen beider Reihen glänzen jeweils durch bombastische Storylines, in der Regel vollgestopft mit Klischees, Pathos und gewaltigen Zerstörungsorgien. Im Falle der beiden neuen Titel «Battlefield 1» und «Call of Duty: Infinite Warfare» sind die Geschichten spannenderweise völlig konträr.

Auf den Spuren von Lawrence of Arabia 

«Battlefield 1» ist im 1. Weltkrieg angesiedelt. Der Spieler erlebt unterschiedliche Schauplätze: den Luftkrieg über Deutschland, eine Kampagne in den Dolomiten oder die Geschehnisse rund um Lawrence von Arabien. Dabei sind die Macher sehr bemüht, die Schrecken des barbarischen Krieges mit über 17 Millionen Toten aufzuzeigen.

Gleich zu Beginn begleitet man eine amerikanische Einheit im Panzerkrieg von Frankreich 1918. Stirbt der Spieler, werden seine Lebensdaten eingeblendet und die Kamera schwenkt auf einen anderen Soldaten. Am Ende der Sequenz stehen sich ein deutscher und ein amerikanischer Soldat als einzige Überlebende eines Artillerieangriffs gegenüber. Die Absurdität ihrer Situation ist offensichtlich – und schliesslich senken sie ihre Waffen.

Das Spiel versucht stets, die Geschehnisse auf menschliche Schicksale herunterzubrechen. Leider gelingt dies nur bedingt, denn am Spagat, den die Macher zeigen wollen, scheitern sie unweigerlich: Einerseits die Furchtbarkeit des Krieges aufzuzeigen, andererseits dem Spieler ein möglichst spektakuläres Spielerlebnis zu bieten, verträgt sich nicht. Das Spektakel überwiegt am Ende und so bleiben die Versuche, historische Aufklärung zu betreiben bloss pathetische Randnotizen in einem spektakulären Actionepos.

Mit Jon Snow im Weltraum

Das Spektakel steht auch bei «Call of Duty: Infinite Warfare» an vorderster Stelle, bloss geht es hier um einen Krieg in ferner Zukunft. Infolge erschöpfter Rohstoffreserven errichtet die Menschheit Minen-Kolonien im Weltraum. Es kommt wie so oft: Die Kolonisten sind unzufrieden und starten einen Putsch. Nach einem verheerenden Angriff auf das irdische Hauptquartier in Genf (!) und einer Weltraumschlacht muss der Spieler das Kommando eines Raum-Kriegsschiffes übernehmen, um den Krieg gegen die Separatisten vom Mars zu gewinnen.




Weltraumästhetik in «Call of Duty: Infinite Warfare». (Bild: ©Infinity Ward)

Statt sich mit heiklen historischen Themen herumschlagen zu müssen, haben sich die Macher von Infinity Ward entschieden, ein nicht unplausibles, aber dennoch risikobefreites Szenario zu erfinden, in dem sie aus dem Vollen schöpfen können. Das funktioniert auch ziemlich gut, und weil die Macher auf Stars wie Kit Harington (Jon Snow aus «Game of Thrones») gesetzt haben, flammt auch immer wieder Kinogefühl auf. Natürlich ist auch «Call of Duty: Infinite Warfare» nicht gefeit von Pathos, Klischees und hölzernen Dialogen. Im (etwas absurden) Weltraum-Kontext ist das aber garantiert erträglicher als bei den Kollegen von «Battlefield 1».

In Sachen Präsentation sind beide Spiele absolut fantastisch: flüssige Animationen, detailreiche Karten und spektakuläre Spezialeffekte, wohin man blickt. Für viele Fans liegt aber der wahre Spielspass im Mehrspieler-Teil. Hier wird gemeinsam «Kriegerlis» gespielt, was dem Geschehen eine soziale Komponente beimischt und den martialischen Ernst deutlich mindert.

Erst in der Gruppe macht Kriegerlis Spass

Gerade die «Battlefield»-Reihe ist ein Synonym für anarchistische Spielerlebnisse, da sie auch die Möglichkeit bietet, mit Fahrzeugen ins Geschehen einzugreifen. Natürlich gibt es auch diverse Spieler, die mit grosser Ernsthaftigkeit zur Tat schreiten und vermutlich glauben, eine gewonnene Runde qualifiziere sie auch als Mitglieder einer Spezialeinheit in der Realität.

Die Mehrheit legt aber ein erfreulich kindisches Verhalten an den Tag und geniesst einfach das Chaos, das jeweils ausbricht, wenn rundherum irgendwelche Flugzeuge in Häuser stürzen, Panzer völlig unkoordiniert auf dem Schlachtfeld umherirren und eine Angreifertruppe sich gegenseitig ausschaltet, weil eine Mitspielerin die Mutter des anderen beleidigt hat.

«Call of Duty: Infinite Warfare» bietet hier weniger Möglichkeiten zum Austoben, da auf Fahrzeuge verzichtet wird. Auch kommen die Aufgaben etwas linearer daher – genug Raum für wahnwitzige Experimente ist trotzdem vorhanden.

So feiern die Macher seit einigen Teilen den sogenannten Zombie-Modus als Mehrspieler-Attraktion. Im aktuellen Teil wurde eine 80er-Jahre-Hommage rund um einen Vergnügungspark mit kompletter Storyline erschaffen, inklusive obligatorischem Gastauftritt von David Hasselhoff. Zombies sind dankbare Computerspiel-Gegner, weil man moralische Aspekte des Tötens ohne schlechtes Gewissen in den Hintergrund stellen darf. Daneben gibt’s aber auch einen klassischen Mehrspielermodus, der an die Einzelspielerkampagne angelehnt ist.

Darf man denn ein Kriegsspiel überhaupt gut finden?

Dass Gewalt eine gewisse Faszination auslösen kann, ist bekannt. Auch Kinder spielen gerne mit Holzstöcken Piraten und bauen Waffen aus Lego. Dass sie sich deswegen zu Gewalttätern entwickeln, kann mittlerweile wissenschaftlich ausgeschlossen werden. Ebenso ist in Fachkreisen unbestritten, dass Schiessspiele keine Amokläufer generieren. Umgekehrt gibt es aber eben erwiesenermassen Personen mit einer grossen Gewaltaffinität, welche Gefallen an Kriegsspielen finden und ihre Gewaltfaszination damit nähren. 

Und so ist es am Ende wie mit Filmen oder Büchern: Wo ein Mensch eine antikriegerische Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg sieht, geilt sich der andere daran auf, wie brutal darin Hinrichtungen beschrieben oder gezeigt werden. Dem Ganzen eine weitaus grössere Bedeutung zuzumessen, bloss weil ein Videospiel interaktiv ist, ist heuchlerisch. Ja, virtuelle Geschichtssimplifizierung oder gar -klitterung zu betreiben, wie dies «Battlefield 1» tut, ist sehr heikel. Aber dieses Argument ist austauschbar und beliebig, bei Romanen spricht man in solchen Fällen gar von «poetischer Wahrheit».

Was man aber durchaus kritisch beurteilen darf und soll, ist die Qualität eines Spieles. Und hier kann abschliessend festgehalten werden: Beide Spiele haben gut gemachte Elemente – für absolute Actionfans eignet sich infolge des Tempos und des Spektakels eher «Call of Duty: Infinite Warfare». Wer mehr Freude an chaotischen Mehrspieler-Duellen hat, ist bei «Battlefield 1» besser bedient. Für Pazifisten und Kinder sind beide trotz allem absolut ungeeignet.

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