Die Schweizer Skispringer sind enttäuschend in den WM-Winter gestartet. Vor dem Heim-Weltcup am Wochenende in Engelberg gibt es einige Baustellen – aber auch die Hoffnung auf einen Sprung nach vorne.
Das Positive: Simon Ammanns Telemark-Landung ist kein grosses Thema mehr. Der Haken: Der vierfache Olympiasieger springt einfach nicht weit genug, als dass die Landung das Hauptproblem wäre. Die Ränge 25, 23, 21, 28 und 38 in den fünf Wettkämpfen dieses Winters sind bei weitem nicht das, was sich der Toggenburger und Swiss-Ski erwarten. An der letzten Station in Lillehammer, einer Anlage, auf der Ammann den Schanzenrekord hält, ging es sogar einen Schritt rückwärts.
In der filigranen und hochkomplexen Technik eines Skispringers ist die Ursachenforschung heikel. Beeinflusst die Beschäftigung mit der Landung bereits den Absprung und die Flugphase negativ? Irgendwie wohl schon, auch wenn dies keiner so genau sagen will oder kann. «Das lässt sich nie ganz trennen», meint Ronny Hornschuh, der auf diese Saison hin vom Assistenz- zum Cheftrainer aufgestiegen ist. Um die Landung sanfter zu machen, sollen Ammanns Sprünge eine flachere Kurve aufweisen. «Er sollte mit mehr Geschwindigkeit, aber nicht mehr so hoch abspringen», erklärt Hornschuh. Im Moment fehlt dadurch aber die Weite.
Auch der Qualifikationssprung auf 125 m konnte Ammann am Freitagabend nicht zufriedenstellen. «Ich will mehr, aber heute habe ich das nicht gezeigt», stellte er klar. Er ging nach der Enttäuschung vor einer Woche in Lillehammer, als er im zweiten Springen die Weltcup-Punkte verpasst hatte, über die Bücher. Ohne in die Details gehen zu wollen, sprach er von «guten Diskussionen» im Team. Er traut sich denn auch eine Steigerung im Wettkampf am Samstag (1. Durchgang ab 16.00 Uhr) zu. «Ich muss hellwach sein», lautete die Kampfansage des 35-jährigen Toggenburgers. «Der Puls muss bei 160, besser 180, sein.»
Ein Teufelskreis
Ronny Hornschuh betont, dass er mit der bisherigen Saison «auf keinen Fall zufrieden» sein könne, dass es aber auch einzelne gute Sprünge gebe. «Es fehlt jedoch an Konstanz und Stabilität.» Dadurch entsteht eine Art Teufelskreis. «Es ist nicht einfach mit dem Selbstvertrauen.» Ohne gute Resultate fehlt dieses, doch ohne Selbstvertrauen kommen die Spitzenergebnisse nicht.
Das gilt auch für Gregor Deschwanden, den zweiten Schweizer, der in den letzten Jahren regelmässig im Weltcup sprang. Der 25-jährige Luzerner schaffte es in diesem Winter – ebenso wie der vier Jahre jüngere Waadtländer Killian Peier – noch nie in die Punkteränge. «Deschwanden gelangen in Kuusamo im Training zwei super Sprünge», betont Hornschuh. «Im Wettkampf fehlte dann aber auch bei ihm die Stabilität.» Er hat sie dann auch in den folgenden Wettkämpfen nicht gefunden.
So wäre es vermessen, beim Heim-Weltcup in Engelberg Schweizer Spitzenresultate zu erwarten. «Wir wollen dem Publikum natürlich etwas zeigen», sagt der 41-jährige Thüringer. «Aber es ist schwierig, ein konkretes Ziel vorzugeben. Jeder muss sich auf seine Sprünge konzentrieren.» Disziplinenchef Berni Schödler spricht von «kleinen technischen Fehlern», die sich in einem Feld, das eng beisammen sei, sofort auswirken würden. «Ich bin aber extrem dankbar, dass wir jetzt in Engelberg ein paar Sprünge ohne Konkurrenzdruck machen konnten.» So haben die Schweizer auf der komplett umgebauten Titlis-Schanze, die neu eine Hillsize von 140 m aufweist, vielleicht einen kleinen Vorteil.
Mit der Qualifikation von Ammann, Deschwanden Killian Peier und Gabriel Karlen, der in der Qualifikation als 16. der beste Schweizer war, wurde ein erstes Teilziel erreicht.
Triumphiert der nächste Prevc?
Um den Sieg wird Simon Ammann, der in Engelberg bereits dreimal triumphiert hat, kaum mitspringen. Der Topfavorit heisst wie im Vorjahr Prevc. Peter Prevc, der spätere Sieger der Vierschanzentournee und Skiflug-Weltmeister, gewann im letzten Winter auch auf der Titlis-Schanze beide Wettkämpfe und verbesserte den Schanzenrekord auf 142 Meter. In diesem Jahr steht jedoch sein jüngerer Bruder Domen im Mittelpunkt. Das slowenische Supertalent holte sich in drei der fünf bisherigen Weltcup-Springen den Sieg und führt die Gesamtwertung an. Neben den vorqualifizierten Peter und Domen sicherte sich mit Cene als 25. ein dritter Prevc-Bruder die Startberechtigung für den Wettkampf.
Am Samstag dürften damit erstmals in der Geschichte drei Brüder in einem Weltcup-Springen vom Bakken abstossen, auch wenn die FIS dies nicht mit Sicherheit bestätigen konnte. Besonders speziell: Peter (24-jährig) ist der Titelverteidiger im Gesamt-Weltcup, Domen (17) der aktuelle Leader und Cene (20) der Führende im Europacup.