Wegen Rassendiskriminierung durch eine islamfeindliche Twitter-Mitteilung ist ein früherer Stadtzürcher SVP-Schulpfleger vom Bezirksgericht Uster verurteilt worden. Er erhielt eine bedingte Geldstrafe von 75 Tagessätzen à 120 Franken und eine Busse von 1800 Franken.
Das Verschulden sei «nicht mehr leicht», sagte der Richter am Montag. Ob der Verteidiger, der auf Freispruch plädiert hatte, den Fall weiterzieht, ist noch offen. Er müsse zuerst das schriftliche Urteil studieren, sagte er.
Anlass für die Verurteilung war eine Kurznachricht, die der Beschuldigte im Juni 2012 via Twitter verbreitete : «Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht… diesmal für Moscheen».
Nach negativen Reaktionen auf den Tweet löschte der Verfasser ihn einige Minuten später wieder, wie mehrere andere auch. Es gab aber schon ein Screenshot davon. Dessen Veröffentlichung löste einen Sturm der Entrüstung aus.
Teilfreisprüche
Bezüglich zwei eingeklagten Tweets wurde der Beschuldigte freigesprochen. Laut Gericht waren die Beweise für diese Twitternachrichten nicht verwertbar, weil sie – ohne Rechtshilfeverfahren – aus dem Ausland beschafft worden waren. Das Gericht folgte diesbezüglich der Verteidigung.
Die Ermittlungsbehörden hatten die Protokolle der gelöschten Tweets bei zwei Firmen in den USA und in Kanada angefordert, die Aufzeichnungen solcher Social-Media-Kommunikationen vornehmen. Gemäss Richter wären dafür Rechtshilfebegehren nötig gewesen.
Keine Zweifel hatte das Gericht bezüglich dem «Kristallnacht-Tweet». Der Beschuldigte, der in der Hauptverhandlung keine Aussagen machte, hatte in der ersten Einvernahme zugegeben, er habe diesen abgesetzt. Ob ein nicht dokumentierter Zusatz «damit die Regierung endlich aufwacht» noch angehängt worden war, hatte nach Ansicht des Richters für die rechtliche Würdigung keine Bedeutung.
Der Inhalt des Tweet habe gegen die Menschenwürde der Juden wie auch der Muslime verstossen, fand das Gericht. Es teilte die Meinung der Anklage zur Wirkung der Mitteilung. Der Beschuldigte sei schuldig der Rassendiskriminierung.
Anklage: Begriff «Kristallnacht» mit Bedacht gewählt
Gemäss Staatsanwalt waren dem Beschuldigten die historischen Ereignisse der Kristallnacht von 1938 in Deutschland bekannt. Sie war der Übergang von der antisemitischen Diskriminierung zur systematischen Verfolgung und zum späteren Völkermord des nationalsozialistischen Regimes an den Juden.
Der Beschuldigte habe gewusst, dass der Begriff «Kristallnacht» gleichbedeutend für Völkermord schlechthin verwendet und verstanden werde, sagte der Staatsanwalt. Den Begriff habe er mit Bedacht gewählt, um zu provozieren und Aufmerksamkeit zu erlangen.
Mit der öffentlichen Ankündigung einer «möglichen und notwendigen Wiederholung der Kristallnacht von 1938» nunmehr zum Schaden der Muslime habe er den Angehörigen der muslimischen Volksgruppe und der islamischen Glaubensgemeinschaft die Gleichwertigkeit als Menschen abgesprochen und sie «in krass erniedrigender, ausgrenzender Weise auf eine tiefere Stufe gesetzt als andere Menschen».
Zum Ausdruck gebracht habe er aber auch, es habe die Ereignisse von damals schon einmal «gebraucht», um der damaligen Konfliktsituation zu begegnen. Er habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass sein Tweet als Rechtfertigung des Völkermordes an den Juden verstanden werde.
Verteidigung: Beweise nicht verwertbar
Nach Ansicht der Verteidigung wurden die von der Anklage aufgeführten Twittermeldungen aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentstellend wiedergegeben. Der Beschuldigte hatte sich zunächst darüber geärgert, dass es in der Schweiz Muslime gebe, die meinten, das Recht zu haben, ihre Frauen zu schlagen, wenn diese den Sex verweigerten.
Die Tweets wie «Wir sollten dieses Pack aus dem Land werfen» oder «Ich würde gewisse Leute tatsächlich gerne an die Wand stellen und erschiessen» hätten sich nicht grundsätzlich auf Muslime bezogen, sondern auf jene Männer, die ihre Frauen mit Schlägen zum Sex zwingen wollten.
Die Verteidigung hielt alle Beweise für nicht verwertbar. Es sei auch unklar, ob die Screenshots der – später gelöschten – Tweets überhaupt echt seien. Und es gebe auch keine Beweise, wer die Tweets gelesen habe. «Es waren wohl nur drei bis vier», sagte er.
Sein Mandant sei im Sommer 2012 «nach einer für die Schweiz beispiellosen Hetze» von einem Tag auf den anderen tief gefallen und habe alles verloren: Politisches Amt, Parteizugehörigkeit und Arbeitsstelle. Heute hat er wieder eine 100-Prozent-Anstellung.