Kritik an Schweizer Migrationspartnerschaft mit Kosovo

Die Migrationspartnerschaft zwischen der Schweiz und dem 2008 unabhängig gewordenen Kosovo funktioniert offenbar nicht so, wie sie sollte. Zwangsrückgeschaffte Roma-Familien würden nur in wenigen Fällen von staatlichen Integrationshilfen und Betreuung profitieren.

Blick auf eine Roma-Siedlung in Polje, Kosovo (Symbolbild) (Bild: sda)

Die Migrationspartnerschaft zwischen der Schweiz und dem 2008 unabhängig gewordenen Kosovo funktioniert offenbar nicht so, wie sie sollte. Zwangsrückgeschaffte Roma-Familien würden nur in wenigen Fällen von staatlichen Integrationshilfen und Betreuung profitieren.

Die Unterstützung von zurückgekehrten Angehörigen ethnischer Minderheiten wie den Roma falle zudem sehr willkürlich aus, schreibt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GFBV) in einer am Freitag publizierten Studie. Offensichtlich existierten in dem noch jungen kosovarischen Staat keine einheitliche Regelung und Praxis zur Reintegration von aus der Schweiz ausgeschafften Personen.

Gerade dies sollte gemäss der im Februar 2010 geschlossenen Migrationspartnerschaft zwischen den beiden Ländern aber anders sein. So hat sich der Kosovo in dem «Memorandum of Understanding» verpflichtet, sich für die Integration der Migranten einzusetzen. Die Schweiz sollte den Kosovo in der sozioökonomischen Entwicklung unterstützen und Rückkehrhilfen für die Ausgeschafften leisten.

661 Minderheitenangehörige zwangsrückgeschafft

In den Genuss dieser Zahlungen, die von einigen hundert bis zu mehreren tausend Franken reichen können, kommen jedoch gemäss internationaler Vereinbarung nur freiwillige Rückkehrer. Davon gab es laut den in der Studie zitierten Zahlen des Bundesamts für Migration (BFM) zwischen Februar 2010 und November letzten Jahres 445 Personen, die einer ethnischen Minderheit angehören.

661 Minderheitenangehörige mussten laut den Angaben zwangsrückgeschafft werden und verspielten somit ihre Aussicht auf Rückkehrhilfe. Viele von ihnen hatten während vielen Jahren in der Schweiz gelebt und ihren Flüchtlingsstatus im Jahr 2009 verloren, nachdem die Schweiz den Kosovo als sicheres Land einstufte.

«Kosovo kein sicherer Staat»

Der Kosovo ist nach Ansicht der GFBV jedoch alles andere als ein sicherer Staat, insbesondere nicht für Roma. Noch immer existiere in dem Balkanland kein offizieller Schutz für Minderheiten. Das Land sei aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und der schwachen staatlichen Strukturen ausser Stande, die menschenwürdige Reintegration von Minderheitsangehörigen zu gewährleisten.

Nach Recherchen des «Tages-Anzeiger»/«Der Bund» hat die Schweiz zwischen 2007 und 2015 insgesamt 7,8 Millionen Franken Entwicklungsgeld ausgegeben beziehungsweise budgetiert. Nach Feststellungen der GFBV hat sich aber trotz dieser Gelder die Situation der Roma im Kosovo kaum verbessert.

Die GFBV fordert daher vom BFM, bis auf Weiteres auf Rückschaffungen von Roma und anderen Minderheitenangehörigen in den Kosovo zu verzichten. Vom BFM war am Freitagnachmittag keine Stellungnahme zu erhalten.

BFM: Jeder einzelne Fall wird überprüft

Das BFM prüfe in jedem einzelnen Fall neben den Asylgründen auch die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs, heisst es in einer Stellungnahme des BFM. Rechtskräftig abgelehnte Asylsuchende, deren Wegweisung zumutbar sei, müssten die Schweiz verlassen.

«Tun sie dies nicht freiwillig, müssen sie mit einer Rückführung rechnen. Dies gilt auch für Roma aus dem Kosovo.» Mangelnde wirtschaftliche Perspektiven seien kein Grund, rechtskräftige Wegweisungen nicht zu vollziehen.

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