Im Streit um die Auslieferung mutmasslicher Schwerverbrecher aus dem früheren Jugoslawien droht die EU-Kommission Kroatien mit dem Einfrieren von Fördergeldern. Dabei geht es nach Angaben von Diplomaten um 80 Millionen Euro für das kommende Jahr.
EU-Justizkommissarin Viviane Reding bestätigte am Dienstag in Brüssel entsprechende Pläne: «Ja, die Sache läuft.» Sie werde den EU-Staaten eine Reihe von Massnahmen vorschlagen – zum Beispiel den Entzug von Geldern. Solche Schritte sind äusserst selten.
Kroatiens Regierungschef Zoran Milanovic reagierte empört. «Ich werde nicht zulassen, dass Kroatien wie ein Putzlappen behandelt wird», sagte der Politiker am Dienstag in Zagreb.
«Wir sind ein Staat und kein Vogelreservat. Wir tun weder etwas Falsches noch etwas Unmoralisches», sagte Milanovic weiter. «Wem wird hier geglaubt?», fragte der Ministerpräsident in Anspielung auf die Justizkommissarin: «Der demokratisch gewählten Regierung in Kroatien oder jemandem, der sich für ein siebentes Mandat bewirbt?».
Sondergesetz im Schnellverfahren
Kroatien ist am 1. Juli der EU beigetreten. Drei Tage zuvor hatte das Parlament im Schnellverfahren ein Sondergesetz verabschiedet, mit dem der ehemalige Geheimdienstgeneral Josip Perkovic und bis zu 20 weitere mutmassliche Schwerverbrecher geschützt werden. Perkovic wird von Deutschland als Auftraggeber des Mordes an einem jugoslawischen Dissidenten 1983 in Bayern gesucht.
Seit Wochen schwelt die Auseinandersetzung um den Europäischen Haftbefehl, nach dem ein Land Kriminelle ausliefern muss, die in anderen EU-Staaten gesucht werden. Mit dem von Medien und Politikern «Lex Perkovic» genannten Gesetz begrenzte Kroatien die Anwendung des Haftbefehls auf Straftaten, die nach August 2002 begangen wurden.
«Kroatien ist mit einem grossen Vertrauensvorschuss gestartet und hat dieses Vertrauen am Tag seines EU-Beitritts missbraucht», kritisierte Reding.
Angebotene Änderungen abgelehnt
Die kroatische Regierung hatte Brüssel Änderungen an dem Gesetz angeboten, die aber erst Mitte 2014 in Kraft treten sollen. Das reicht der EU-Kommission nicht aus. «Ein Gesetz, das in wenigen Tagen geändert werden kann (…), kann in wenigen Tagen auch wieder in seine ursprüngliche Form zurückgebracht werden», sagte Reding.
«Wir werden nicht vom 15. Juli 2014 abrücken, weil das nicht mein privates Spielchen, sondern der Standpunkt der gesamten Regierung ist», zeigte dagegen Kroatiens Regierungschef Milanovic am Dienstag Härte.
Die EU-Kommission will am Mittwoch Dokumente vorlegen und die EU-Mitglieder informieren, die zehn Tage Zeit für eine Stellungnahme haben. Danach kann Brüssel die Sanktionen beschliessen.
Die kroatische Regierung spielte dagegen die drohenden finanziellen Einbussen herunter. «Ich höre, dass man über Hunderte Millionen (kroatischer) Kuna Schäden spricht, aber ich sage Ihnen, dass der Schaden null ist», versicherte Milanovic seinen Bürgern.