Ab diesem Sonntag – exakt um Mitternacht – ist Kroatien das 28. Mitglied der Europäischen Union. Europäische Politiker gratulierten, forderten aber gleichzeitig weitere Reformen. Die Feierlichkeiten fallen bescheiden aus; denn die Bürger schwanken zwischen Hoffnung und Angst. Und die Politik weiss: Es gibt noch viel zu tun.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach von einem historischen Tag. «Es ist gut, wenn eine Familie wächst, vor allem unsere Familie der Werte, die Demokratie, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet ist.» Allerdings werde die EU-Mitgliedschaft allein nicht die wirtschaftlichen Probleme Kroatiens und anderer Krisenländer lösen.
170 internationale Vertreter, darunter die Spitzen der EU-Kommission, des Europaparlaments sowie zahlreiche Staats- und Regierungschefs der Nachbarländer reisten zu den Feiern am Sonntagabend an.
«Eine Ära in der Geschichte Kroatiens endet», sagte Staatspräsident Ivo Josipovic bei einem Abendessen für die Gäste und versprach, die EU-Mitgliedsbestrebungen anderer Staaten auf dem Westbalkan zu unterstützen. Das wirtschaftlich angeschlagene Kroatien betrete kein sinkendes Schiff, sagte Ministerpräsident Zoran Milanovic in Hinblick auf Krisen in der EU. Er sei überzeugt, das «Glas ist halb voll und nicht halb leer», so Milanovic.
Merkel sieht noch viel zu tun
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nicht nach Zagreb reiste, sieht noch viel Reformbedarf. «Gerade im Bereich der Rechtssicherheit und der Korruptionsbekämpfung sind noch viele weitere Schritte zu gehen», sagte Merkel in einem Podcast.
In Zagreb begann die zentrale Feier für die Bürger auf dem Ban-Jelacic-Platz mit Musik. Die breiten Boulevards der Stadt waren jedoch ungewöhnlich leer: Viele Anwohner waren dem Rat der Polizei gefolgt und hatten die Hauptrouten zwischen dem Stadtzentrum und dem Flughafen gemieden.
Nur sehr wenige Menschen nahmen an einer Demonstration der Protestbewegung «Occupy Croatia» teil, wie die Tageszeitung «24 Sata» im Internet berichtete. Die Gruppe nennt Kroatiens Beitritt einen «wirtschaftlichen Völkermord».
Zweiter Landesteil des ehemaligen Jugoslawien
Kroatien ist nach Slowenien das zweite EU-Mitgliedsland aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die frühere jugoslawische Republik, die seit 1991 selbstständig ist, bringt grosse Probleme mit. Die Wirtschaft ist schwer angeschlagen, die Industrie liegt am Boden, die Sozialsysteme drohen zusammenzubrechen und die öffentliche Verwaltung muss modernisiert werden.
Kroatien sei auf den EU-Beitritt besser vorbereitet als manch andere Mitglieder es waren, sagte jedoch die stellvertretende Ministerpräsidentin Milanka Opacic. Die Mitgliedschaft schaffe Möglichkeiten für Kroatien, doch schwerwiegende Probleme wie etwa die hohe Arbeitslosigkeit und das niedrige Lohnniveau müsse das Land selbst lösen: «Das ist unser Problem, die EU wird es nicht für uns lösen», sagte Opacic.