Die Schweiz weitet die Personenfreizügigkeit auf Kroatien aus. Der Bundesrat hat am Freitag beschlossen, das Zusatzprotokoll zum Freizügigkeitsabkommen zu ratifizieren. Damit ist auch die Schweizer Teilnahme an der europäischen Forschungszusammenarbeit gesichert.
Das Parlament gab schon im letzten Juni grünes Licht für die Ratifikation, aber unter einer Bedingung: Ratifiziert werden darf nur, wenn mit der Europäischen Union eine mit der schweizerischen Rechtsordnung vereinbare Regelung zur Steuerung der Zuwanderung besteht.
Mit der Schlussabstimmung der Räte über die Gesetzesänderung zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative am Freitagmorgen sieht der Bundesrat diese Bedingung erfüllt, wie er in einer Mitteilung schreibt. Die vom Parlament beschlossene Lösung ermögliche, dass die bilateralen Abkommen mit der EU weiterhin gälten.
Gegen diese Lösung kann immer noch das Referendum ergriffen werden. Dazu hatte sich Justizministerin Simonetta Sommaruga im Ständerat geäussert: Nötig sei ein stabiler Entscheid, sagte sie. Unter einem stabilen Entscheid verstehe der Bundesrat zum Beispiel eine Schlussabstimmung im Parlament. Für eine Ratifikation gebe es diesbezüglich keine absolute Regelung.
Langes Übergangsregime
Kroatien ist seit dem 1. Juli 2013 Mitglied der Europäischen Union. Verhandlungen über die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien waren im gleichen Jahr aufgenommen worden. Die EU hat das Zusatzprotokoll schon im November 2016 ratifiziert. Dieses tritt per 1. Januar 2017 in Kraft.
Vor der vollen Personenfreizügigkeit gilt während zehn Jahren ein Übergangsregime. In den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten ist die Zuwanderung aus Kroatien durch Kontingente beschränkt. Im fünften Jahr beispielsweise umfasst dieses 250 Aufenthaltsbewilligungen und 2000 Kurzaufenthaltsbewilligungen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Schweiz die Zuwanderung auch noch in den folgenden fünf Jahren einschränken.
Weg frei für «Horizon 2020»
Damit endet ein jahrelanges diplomatisches Ringen. Unmittelbar nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014 hatte der Bundesrat erklärt, das Zusatzprotokoll nicht unterzeichnen zu können. Als Reaktion darauf legte die EU die die Verhandlungen über die Teilnahme der Schweiz an der Forschungszusammenarbeit «Horizon 2020» und den Studentenaustausch «Erasmus+» auf Eis. Die Schweiz wurde fortan als Drittstaat behandelt.
Ende 2014 gelang es Bundesrat Johann Schneider-Ammann, eine Übergangslösung auszuhandeln. In gewissen Bereichen konnten Schweizer Forscher vorläufig an «Horizon 2020» teilnehmen. Für den Fall, dass die Schweiz das Kroatien-Protokoll bis am 9. Februar 2017 ratifiziert, ist eine automatische Assoziierung an die europäische Forschungszusammenarbeit vorgesehen.
Diese gilt nun per Anfang nächsten Jahres. Das sei von zentraler Bedeutung für die Qualität und Reputation des Forschungsplatzes Schweiz sowie für deren Wettbewerbsfähigkeit. Mit der vollen Assoziierung können sich Schweizer Forschende wieder vollumfänglich an den durch das Programm finanzierten europäischen Forschungsprojekten beteiligen.
Motor der Umsetzung
Die politische Verknüpfung des Kroatien-Protokolls mit «Horizon 2020» nützte nicht nur den Forschern. Sie erwies sich als Motor für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative durch das Parlament. Insbesondere die FDP wollte «Horizon 2020» auf keinen Fall gefährden. Dafür nahmen es die Freisinnigen sogar in Kauf, von der SVP als Verfassungsbrecher beschimpft zu werden.
Unterzeichnet hatte der Bundesrat das Kroatien-Protokoll schon im letzten März. Justizministerin Sommaruga begründete den Schritt damals damit, dass inzwischen der politische Wille für eine einvernehmliche Lösung vorhanden sei.