Tim Krul wird unverhofft zum holländischen WM-Helden. Für den Goalie von Newcastle ist an dieser Endrunde im Normalfall eine Ersatzrolle vorgesehen, doch gegen Costa Rica wird er zum Penalty-Killer.
Es war ein genialer Schachzug von Bondscoach Louis van Gaal. Kurz vor Ablauf der Verlängerung wechselte er im Hinblick auf das sich anbahnende Penaltyschiessen den Torhüter aus. Er brachte für Stammkeeper Jasper Cillessen (1,87 m) den etwas grösseren Tim Krul (1,93 m). Der Poker ging auf. Der eigentliche Ersatzmann ahnte bei jedem Penalty der Costa Ricaner die richtige Ecke, wehrte die Versuche von Bryan Ruiz und Michael Umaña ab und wurde zum gefeierten Helden. Krul stahl am Ende seinem Gegenüber, dem erneut brillanten Keylor Navas, der die Holländer 120 Minuten lang zur Verzweiflung getrieben hatte, die Show.
Vor den Penaltys der Mittelamerikaner hatten sich bizarre Szenen abgespielt in Salvador. Krul versuchte jeweils mit viel Theater, den kommenden Schützen zu irritieren. In zwei Fällen wurden seine Psycho-Tricks belohnt. «Es ist ein Traum. Es ist unglaublich. Da sieht man, dass alle 23 Kaderspieler gebraucht werden», meinte Krul nach der Nervenprobe. Er, der schon als 17-Jähriger von ADO Den Haag zu Newcastle gewechselt hat, steht in der Nationalmannschaft üblicherweise im Schatten anderer Torhüter. Krul bringt es erst auf sechs Länderspiele.
Aus der englischen Premier League ist der 26-Jährige nicht unbedingt bekannt als Elfmeter-Töter. Eine Statistik sagt aus, dass er in der Vergangenheit nur zwei von 20 Penaltys pariert hat. Diese Zahlen interessierten Van Gaal nicht. Er war nach dem Halbfinal-Einzug stolz auf seine ungewöhnliche Rochade: «Wir hatten gewusst, dass Krul unser bester Goalie ist fürs Penaltyschiessen. Er ist gross und hat eine lange Reichweite. Wir hatten uns nicht nur auf unsere Penaltys, sondern auch auf jene der Costa Ricaner gut vorbereitet.»
Der ausgewechselte Cillessen wusste offenbar im Vornherein nichts davon, dass für ihn im Penaltyschiessen keine Rolle mehr vorgesehen war. Auf die Frage, wieso man ihm dies nicht davor mitgeteilt habe, meinte Van Gaal: «Das wäre enttäuschend für ihn gewesen. Wir waren aber eben überzeugt, dass Tim grössere Chancen hat, Elfmeter zu halten. Er wusste natürlich Bescheid, er musste ja vorbereitet sein. Wenn es nicht funktioniert hätte, hätte ich den falschen Entscheid getroffen.»
Van Gaal hatte bereits im Achtelfinal gegen Mexiko mit der Einwechslung von Klaas-Jan Huntelaar ein goldenes Händchen bewiesen. Der Schalker war in der Schlussphase mit einem Assist und einem verwerteten Penalty der entscheidende Mann gewesen für «Oranje». Auch in der Gruppenphase hatten Van Gaals «Joker» gestochen. Welches Ass wird der Bondscoach im Halbfinal gegen Argentinien aus dem Ärmel ziehen?