Kultwerk #103: Der Fremde

Albert Camus, Autor des Existentialisten-Romans «L’étranger», kam vor hundert Jahren zur Welt. Das Kleine Literaturhaus gedenkt ihm heute Abend mit einer Lesung.

Marcello Mastroianni in der Visconti-Verfilmung von «Der Fremde» aus dem Jahr 1976. (Bild: © Cinetext)

Albert Camus, Autor des Existentialisten-Romans «L’étranger», kam vor hundert Jahren zur Welt. Das Kleine Literaturhaus gedenkt ihm heute Abend mit einer Lesung.

«Die Welt, der Schmerz, die Erde, die Mutter, die Menschen, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer.» So lauten die zehn Lieblingsworte des Schriftstellers, Philosophen und Journalisten ­Albert Camus, die er 1951 in seinem Tagebuch notierte, neun Jahre vor seinem ­Unfalltod.

Camus in Literaturhäusern
Im Kleinen Literaturhaus Basel erinnern G. Antonia und H.-Dieter Jendreyko an den französischen Autor mit einer Lesung. Do, 7.11.2013, 19.30h. Bachlettenstrasse 7, Basel.

Auch das Literaturhaus Basel würdigt Camus: Barbara Bleisch (Sternstunde Philosophie) spricht mit Martin Meyer und Annemarie Pieper. Di, 12.11., 19 Uhr, Barfüssergasse 3, Basel.

Die meisten davon spielen eine Rolle in seinem Debütroman «Der Fremde»: Die Mutter, deren Beerdigung den Protagonisten Meursault unberührt lässt. Der Schmerz und das Elend, denen er emotionslos begegnet. Die Sonne, deren Hitze ihn zum Mörder werden lässt. Das Meer, an dessen Strand Meursault einen Araber erschiesst, und die Welt, der er mit einer «zärtlichen Gleichgültigkeit» begegnet.

«Der Fremde» erschien 1942 in Paris. Darin komplettieren sich Camus’ philosophische Kernbegriffe: das Absurde und der Existentialismus. Seine Figur Meursault ­bewegt sich in einer Welt, die ihm keinen Sinn vermittelt – nicht die Liebe, die ihm «einerlei» ist, nicht der Genuss, der ihn ­regungslos zurücklässt, nicht als Lebensentwurf taugt. Selbst der Tod ist bei Meursault ­inhaltsleer.

Das Absurde der sinnlosen Welt springt den Menschen bei Camus an jeder Ecke an.

Als er einen Araber am Strand erschiesst und, im zweiten Teil des Romans, vor Gericht gestellt wird, kommen die Richter der Motivfrage nicht auf die Spur. Meursault handelte mehr aus Gleichgültigkeit denn aus Notwehr, moralisch ist seine Tat nicht zu fassen. Meursaults Welt ist gottlos. Dass sie deswegen nicht pessimistisch sein muss, ist das Grundthema von Camus’ Existentialismus.

Springt das Absurde der sinnlosen Welt, die Leid und Elend ohne höheren Grund zulässt, den Menschen «an jeder Ecke an», so ist das absichtslose Verhalten, das Meursault offenbart, seine ganz persönliche Leistung: Hineingeworfen ins Jetzt, unvereinbar mit der umgebenden Welt, findet sich der Mensch ganz auf sich alleine gestellt. Und macht doch weiter. Der «freie Mensch» lehnt sich permanent gegen die Absurdität auf und wickelt sein Tagwerk unerschrocken weiter ab.

Auf rund hundert Seiten hat Camus in einer kühlen, aber bilderreichen Sprache die Grundlinien seiner philosophischen Hauptwerke «Der Mythos des Sisyphos» und «Der Mensch in der Revolte» vorgezeichnet. «Der Fremde» ist die trostlose, jedoch musterhafte Erzählung davon, einer sinnaufgeladenen Welt zu misstrauen. «Wenn du Philosoph sein willst, so schreib Romane», notierte Camus bereits als 22-Jähriger in sein Tagebuch.

Albert Camus
Camus kam am 7. November 1913 im französischen Algerien zur Welt. Er ­begann als junger Mann ein Philosophiestudium, wurde Mitglied der Kommunistischen Partei und trat später wieder aus. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als Journalist in Frankreich und schloss sich der Résistance an. 1957, drei Jahre vor seinem Tod durch einen Autounfall, erhielt Camus für sein ­literarisches Werk den ­Nobelpreis.

Nächster Artikel