Kultwerk #105: KLF – Das Handbuch

Wie macht man einen schnellen Hit? Klaue! The KLF wussten das schon vor 25 Jahren – und schrieben das Handbuch dazu.

Das Handbuch zum schnellen Erfolg, geschrieben von KLF. (Bild: zVg)

Wie macht man einen schnellen Hit? Klaue! The KLF wussten das schon vor 25 Jahren – und schrieben das Handbuch dazu.

1988, nach Jahren als Musikmanager und Profigitarrist, hatten Bill Drummond und Jimmy Cauty den Durchblick. Die beiden Engländer klauten von einer britischen TV-Serie die Titelmelodie und vom gefallenen Glamrocker Gary Glitter ein Gitarrenriff, legten ein paar verstärkte Bässe drunter und warfen das Resultat auf den Markt. «Wahrscheinlich die ekelhafteste Platte aller Zeiten», urteilte Drummond später darüber, aber überaus erfolgreich: «Doctorin‘ The Tardis» erklomm im Vereinigten Königreich die Chartspitze.

Für Drummond und Cauty dürfte das keine Überraschung gewesen sein. Ende 1988, vor 25 Jahren, veröffentlichten sie ihr «Handbuch» für den Hitparadenerfolg: «How To Have A Number One – The Easy Way», zehn Jahre später war es als «Der schnelle Weg zum Nr. 1 Hit» auch in Deutsch erhältlich. Mit sarkastischer Verachtung und trockenem Humor verrieten Drummond und Cauty auf wenigen Seiten, wie zynisch erfolgsorientiert die Musikindustrie funktionierte und wie hinderlich Kreativität und musikalische Fähigkeiten sein können: «Wenn Du Musiker bist, dann hör auf, dein Instrument zu spielen. Noch besser: verkaufe den Müll.»

Drummond und Cauty hatten in fast prophetischer Weise erkannt, wie die Herstellung von hitparadengerechten Tracks zukünftig von Digitaltechnologie vereinfacht und verbilligt wird und wie stark sich der Nutzwert von verkaufbarer Musik verschiebt: zugunsten der Rezyklierbarkeit und des Wiedererkennungswertes. «In Kürze werden die Japaner die gesamte notwendige Technologie entwickelt und den Preis dafür derart gesenkt haben, dass man das alles zuhause erledigen kann. Auf den Mist in den Studios kann man dann verzichten.»

Grossmäulig und hintergründig

Und Drummond/Cauty machten ernst mit ihrer Guerillamethode: in den folgenden drei Jahren veröffentlichten sie als The KLF (Kopyright Liberation Front) mehrere Singles, die aus nichts als monströsen Trancebeats und rezykliertem Synthiegeballer bestanden, nannten ihr eigenes Subgenre grossmäulig «Stadium House», kreierten einen obskuren Pseudo-Kult unter dem Namen «Justified Ancients of MuMu», für deren hintergründige Manifeste «Justified And Ancient» und «America: What Time Is Love» sie verwitternde Country- und Rockstars wie Tammy Wynette und Glenn Hughes reaktivierten.

Ihren visionären Ruf in der Rave-Szene untermauerten sie 1990 mit ihrem Album «Chill Out», das aus einer einzigen, 44 Minuten langen Geräuschmediation bestand und dem gleichnamigen elektronischen Genre seinen Namen gab. Legendär bleibt der Abgang von The KLF: 1992 gewannen sie einen Brit Award und traten an der Gala live mit der Grindcore-Band Extreme Noise Terror auf und quälten die Festgesellschaft mit Gitarrenkrach und feuerspeienden Maschinengewehren. Die Veranstalter konnten gerade noch verhindern, dass am Ende der zweiminütigen Lärmsalve das Publikum mit Eimern voller Ochsenblut übergossen wurde.

An der Aftershow-Party hinterliess das Duo ein totes Schaf, auf dem ein Zettel klebte: «Ich bin für euch gestorben – guten Appetit». Drei Monate später gaben The KLF ihr Ende bekannt – und zogen sämtliche Platten aus dem Verkauf zurück.

(Bild: Picasa)

Bill Drummond
Bill Drummond, geboren vor 60 Jahren in Südafrika, gründete mit Jimmy Cauty nach dem Ende von The KLF die «K Foundation», mit dem Ziel, die gemeinsamen Einkünfte situationistisch zu verbrennen. Das taten sie wortwörtlich: Im August 1994 warfen sie eine Million britische Pfund in den Kamin eines schottischen Jagdhauses und drehten einen Film darüber. Drummond ist seit den Neunziger Jahren als subversiver Künstler, Buchautor und Kurator aktiv, die BBC zählte ihn 2006 zu den «Most Punk Persons» in der britischen Kulturszene.

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