Friedrich Glauser hat mit seinem Wachtmeister Studer eine Blaupause für Hunkeler & Co. geliefert. Sein Kriminalroman über Verbrechen im Irrenhaus fesselt bis heute.
Vor 75 Jahren kam Friedrich Glauser ums Leben. Welche Bedeutung er in der Literaturgeschichte einnimmt, manifestiert sich allein in der Tatsache, dass einer der wichtigsten (wenn nicht gar der bedeutendste) Krimipreis unseres Sprachraums nach ihm benannt ist: der «Friedrich-Glauser-Preis». Einer, der damit ausgezeichnet wurde, ist Hansjörg Schneider, bekennender Fan. «Glauser war der grösste Schweizer Realist des 20. Jahrhunderts», schwärmte der Basler Schriftsteller 2012 in der TagesWoche. Und: «Was phänomenal ist an seinen Büchern: Sie werden nicht alt.»
Tatsächlich? Um das herauszufinden, hat unsereiner nach 20 Jahren wieder mal Glausers Buch «Matto regiert» aus dem Büchergestell gezupft und gelesen. Was will man sagen? Fantastisch! Während andere Klassiker, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhhunderts erschienen sind, verstaubt wirken, selbstverliebt daherkommen, begeistert Glausers Schreibe, seine klare Sprache, sein Sinn für Lakonie. Herrlich. Zeitlos. Und allein die Verwendung der Helvetismen: wieder sehr im Trend.
Im Reich der Irrenanstalten
Ausgangslage der Geschichte: In der Berner Heil- und Pflegeanstalt Randlingen ist ein Insasse ausgebrochen, ein gefährlicher Kindsmörder. Zudem wird der Direktor vermisst; er litt an seniler Demenz, «mit deutschen Worten: Greisenirrsinn», erfährt der ruhige, empathische Wachtmeister Studer vom Psychiater Laduner. Studer kann als Blaupause der bekanntesten Schweizer Ermittler, der Kommissäre Bärlach (Dürrenmatt) und Hunkeler (Schneider) betrachtet werden. Und Laduner? Schon nur den Psychiater skizziert Glauser auf den ersten Seiten wunderbar: «Er war barhaupt, sein Haar zurückgeschnitten, vom Hinterkopf stand eine Strähne ab wie die Feder bei einem Reiher.» Wer hat hier einen Vogel?
Glauser nimmt uns bei der Hand und führt uns hinein ins unbekannte Reich der Irrenhäuser seiner Zeit. Das Setting war ihm vertraut: Sein dominanter Vater hatte selbst dafür gesorgt, dass er als junger Mann entmündigt und in solche Anstalten eingewiesen worden war.
Der Schriftsteller kannte psychiatrische Theorien und Therapien, das Verhältnis von Ärzten, Pflegern und Insassen, ihre Sorgen und Ängste – und die Missstände und Ungerechtigkeiten, die mitunter vorherrschten. Meisterhaft, wie Glauser seine biografischen Erfahrungen mit einer Kriminalgeschichte verwob, die einen heute noch reinzieht und fesselt.