Kultwerk #118: Abendmahl

Vier Jahre lang malte Leonardo da Vinci an seinem «Abendmahl». Dass wir es heute noch bewundern können, kann man fast dem Zufall zuschreiben.

Ein perfektes Beispiel für die Zentralperspektive. Und ein wahrhaftiges Kultwerk: Da Vincis «Abendmahl».

Vier Jahre lang malte Leonardo da Vinci an seinem «Abendmahl». Dass wir es heute noch bewundern können, kann man fast dem Zufall zuschreiben

Im Film «Monuments Men» rasen George Clooney & Co. Kunstwerken hinterher, die die Nazis zerstören oder selber ­besitzen möchten. Leonardo da Vincis «Abendmahl» gehörte zwar nicht dazu, überlebte aber auch nur dank dem beherzten Eingreifen einiger Männer den Zweiten Weltkrieg.

Wäre nicht Jahre zuvor ein schützendes Gerüst mit Sandsäcken aufgebaut worden, dann wäre das berühmte Gemälde im Kloster Santa Maria delle Grazie in Mailand im Jahr 1943 wohl von der Wand gebröselt, als eine Bombe der Alliierten nur 20 Meter davon entfernt die Ostwand des Gebäudes und das Dach zum Einsturz brachte. Unter anderem dieser Vorfall brachte den im Film von Clooney verkörperten Kunsthistoriker dazu, sich zum Schutz der Kunst nach Europa aufzumachen.

445 Jahre lang schmückte das Gemälde damals schon die Wand des Refektoriums im Kloster. Von 1494 bis 1498 arbeitete Leonardo im Auftrag des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza am neun Meter breiten und vier Meter hohen Wandgemälde. Der Künstler liess sich Zeit, um nebenbei andere ­Arbeiten zu erledigen – und um sich Ge­danken zu machen, wie Jesus und ­seine zwölf Apostel richtig ins Bild zu ­rücken seien.

Das Bild zeigt jenen Moment, als Jesus sagte: «Einer unter euch wird mich verraten.» Es fokussiert auf die Reaktionen ­seiner Jünger, die von Schrecken über Zorn und Fragen bis zu tiefer Betroffenheit reichen. Alle sitzen sie an einem Tisch, Jesus in der Mitte, den Blick auf seine linke Handfläche gerichtet. Ursprünglich hatte Jesus auch Füsse – diese fielen jedoch einer später eingefügten Tür zum Opfer.

Johannes oder Maria Magdalena?

Je sechs der Apostel sitzen links und rechts zu Jesus’ Seite. Der Verräter Judas befindet sich als Einziger im Halbschatten. In der Rezeption ist die meistdiskutierte Figur jedoch eine andere: jene, die zwischen Judas und Jesus sitzt. Sie soll den Evangelisten Johannes zeigen, Jesus’ Lieblings­jünger. In seiner jugendlich sanften Dar­stellung sahen manche jedoch auch weibliche Züge, was sie zum Gedanken ­veranlasste, es könnte sich stattdessen um Maria Magdalena handeln. Sogar über einen Brustansatz wurde spekuliert.

Der US-Autor Dan Brown strickte aus dieser Spekulation eine ganze Geschichte, die er in seinem Roman «The da Vinci Code» ­erzählt. Leonardos «Abendmahl» hatte spätestens nach der Verfilmung dieses Romans noch mehr Fans. Dabei war es auch vorher schon Kult – kurz nach seiner Entstehung bereits wurde es mehrfach kopiert. Vor ­allem die Behandlung der ­Per­spektive regte diverse Kunstschaffende zum Kopieren an und macht es zu einem der wichtigsten Werke der Renaissance.

Das «Abendmahl» hat einiges erlebt. Die meiste Zeit wohl speisten darunter die Mönche des Klosters. Unter Napoleon wurde das Refektorium zu einem Pferdestall ­umfunktioniert. Das «Abendmahl» zerfiel ­zusehends – nicht nur wegen der Bombe im Zweiten Weltkrieg – und konnte erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts restauriert werden.

Heute ist der Speisesaal ein Museum, das fragile Wandgemälde wird durch Sicherheits- und Staubschleusen geschützt. Wer es sehen will, muss sich vorher anmelden. Richtige Fans verstehen das.

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