Peter Jacksons Verfilmung von «Der Herr der Ringe» hat vor zehn Jahren das Fantasy-Kino neu definiert. Und blieb seither unerreicht, auch von ihm selber.
Vor zehn Jahren erhielt eine der kolossalsten Arbeiten der Filmgeschichte eine kolossale Würdigung. Für elf Oscars war «Die Rückkehr des Königs», der abschliessende Teil von Peter Jacksons Filmtrilogie «Der Herr der Ringe», nominiert. Elf Oscars erhielt er – als erst dritter Film überhaupt nach «Ben Hur» und «Titanic» –, darunter die Edelauszeichnungen als bester Film und beste Regie. Das bedeutete eine Premiere: Zum ersten Mal hat Hollywood einen Fantasy-Beitrag als besten Film ausgezeichnet – und damit Zauberern, Zwergen und Hobbits den Vortritt gelassen vor deutlich tiefer gezeichneten Figuren, wie etwa im ebenfalls nominierten Missbrauchs-Drama «Mystic River».
Mit «Die Rückkehr des Königs» hat Jackson das jahrzehntelang wegen seiner erzählerischen Dichte und seinen Unmengen an Protagonisten und Schauplätzen als unverfilmbar geltende Mammutwerk von J.R.R. Tolkien überwältigend fürs Kino aufbereitet. Nach Jacksons «Herr der Ringe» war im Fantasy-Genre nichts mehr wie zuvor: Hatte Tolkien mit seiner Mittelerde-Fabel um den Ring der Macht primär ein Werk im Sinn, das seinem Erfindergeist und seiner Passion für die Altphilologie eine Kulisse geben sollte (und in die einiges von seinem Pietismus und seiner Ablehnung der Moderne eingeflossen war), wuchtete Jackson die Queste der Gefährten nach Mordor zu einem krachenden Spektakelkino hoch. So führte er in der Umsetzung – etwa mit der eigens für die Massenszenen der Trilogie entworfenen Animationssoftware Massive – neue Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung ein.
Nach «Der Herr der Ringe» erlebte das Fantasy-Genre einen bemerkenswerten Schub – in der Bestseller-Literatur, der Game-Industrie, vor allem aber im Kino. Das Popcornkino der vergangenen zehn Jahre mit seinen Drachenreitern und Narnia-Löwen und all seinen Hexen, Rittern und fliegender Fauna (sowie die Schweizer Parodie «The Ring Thing») wäre ohne Jacksons Arbeit kaum denkbar gewesen. Keiner der Nachahmer konnte sich auch nur annähernd mit dem Erfolg des «Herrn der Ringe» messen – nicht einmal Peter Jackson selbst. Seine aktuelle Hobbit-Trilogie versammelt zehn Jahre danach noch einmal dieselben Schauspieler in einer nahezu identischen Geschichte: Ein neuer Auszug aus dem Auenland, erneut eine gefahrvolle Reise ungleicher Gefährten, erneut ein gefallener König, der sein altes Reich wieder errichten will. «The Hobbit», eigentlich die Vorgeschichte zur Ring-Saga, zerbricht damit an den Massstäben, die Jackson selbst gesetzt hatte. Alles war schon mal da – nur grösser, überwältigender, fantastischer. Damals, auf dem Weg zum Schicksalsberg.
J.R.R. Tolkien (1892–1973), ein Altphilologe an der Universität Oxford, veröffentlichte mit «Der kleine Hobbit» (1937) und «Der Herr der Ringe» (1954) die wegweisenden Klassiker der Fantasyliteratur und hat dieser Figuren wie Hobbits, Orks und (flügellose) Elben geschenkt. Sein zentrales literarisches Werk wurde jedoch erst postum veröffentlicht und wird wohl nicht einmal von Peter Jackson je verfilmt werden: «Das Silmarillion», eine Chronik mit alttestamentarischer Sprach- und Schöpfungsgewalt über die ersten beiden Zeitalter von Mittelerde, gegen die sich die nachfolgenden Ereignisse in «Der Herr der Ringe» höchstens anekdotisch behaupten können.