Zwei Jahrzehnte lang lachte Frankreich über die Grimassen und Wutausbrüche des Schauspielers Louis de Funès, 1983 starb er an einem Herzinfarkt. Am 31. Juli wäre er 100 Jahre alt.
Cruchot, Saroyan, Fourchaume – alles keine liebenswerten Zeitgenossen, sondern provinzielle Moralapostel, cholerische Patriarchen, zwielichtige Gauner, pedantische Griesgrame. Wer sie sah, musste dennoch lachen: Hinter diesen Rollen (und Dutzenden anderen) stand Louis de Funès. Und wenn er zu wettern begann, schlug seine Sprache artistische Kapriolen, verzog sich sein gutmütiges Gesicht zu einer Kaskade an Grimassen, und sausten seine Hände vor lauter erregter Gestik durch die Luft.
Vor hundert Jahren, am 31. Juli 1914, als Sohn eines emigrierten spanischen Adligen und bankrotten Diamantenhändlers geboren, versuchte sich de Funès zwei Jahrzehnte lang als Nebendarsteller und Statist, ohne dass sich bedeutende Erfolge einstellten. Sein Durchbruch erfolgte schliesslich auf der Theaterbühne. In der Komödie «Oscar» spielte er erstmals die Figur des tyrannischen Geschäftsmannes Barnier und entwickelte dabei sein vielfältiges Mienenspiel. Die Rolle stellte die Weichen in seiner Karriere neu: De Funès spielte die folgenden Jahre die unterschiedlichsten Rollen, in denen er seine zentralen Mittel stetig verfeinerte.
Tiefsinn ist nicht gefragt
Ob als besessener Kunsthändler, der einem Kriegsveteranen seine Rückentätowierung abschwatzen will, ob als antisemitischer Grossfabrikant, der sich widerwillig als Rabbiner ausgeben muss, oder als intriganter Steuereintreiber am spanischen Hof – gemeinsam ist vielen seiner Darstellungen, dass sich de Funès Figuren aus den Eliten, der Oberschicht, der vermeintlich Starken aussuchte und sie mit seinen grotesken bis bösartigen Mitteln karikierte. Doch tiefsinnig, absurd oder auf raffinierte Weise gesellschaftskritisch waren seine Komödien nie. Um zünftigen Klamauk und Slapstick-Einlagen waren seine Filme selten verlegen, Sorgfalt in der Regie und Kohärenz im Drehbuch galten als nebensächlich. Für de Funès war das in Ordnung: erst mit 50 Jahren zum Erfolg gefunden, galt sein Interesse den Lachern des grossen Publikums. In seiner Superstar-Phase ab den 1960er-Jahren drehte er manchmal bis zu fünf Filme pro Jahr.
Der hohe Ausstoss an Filmen, die ihn schliesslich auch in Deutschland bekannt machten, schlug sich auf seine Gesundheit nieder: ab den 1970er-Jahren sank die Zahl seiner Filme beträchtlich. Seinen Herzproblemen geschuldet, wurden die körperlich anstrengenden, für ihn jedoch charakteristischen emotionalen Schimpftiraden und Wutausbrüche rar, stattdessen rückte de Funès als Grimassenschneider und fast feingeistiger Mime ins Zentrum.
Bis der Erfolg auf den Körper schlägt
Herausragend aus seiner Spätphase ist «Brust oder Keule» (im Original «L’aile ou la cuisse»), das den Übergang von seinen Starjahren hin zum Spätwerk bildet. De Funès spielt den gefürchteten Restaurantkritiker Charles Duchemin, dessen Urteil über Erfolg oder Bankrott ganzer französischer Restaurants entscheidet – und der den industriellen Malbouffe-Ketten und Schnellimbissbuden den Kampf angesagt hat. Bei seinen essfreudigen Inspektionsreisen hat er seinen Sohn (den später ebenfalls erfolgreiche Komiker Coluche) dabei, der ihm einst nachfolgen soll.
Gemeinsam machen sich Vater und Sohn den Fastfood-Unternehmer Tricatel zum Feind, der traditionelle Speiselokale aus dem Markt drängt und – mon Dieu! – die hehre französische Küche in Verruf bringt. Auch hier werden regelmässig Schenkel weichgeklopft, aber «Brust und Keule» wirft daneben einige satirische Pfeile auf die französische Esskultur ab: auf das Savoir-vivre und die obsessive Sparsamkeit, die sich eine profitversessene Lebensmittelindustrie zunutze macht. De Funès ist in Hochform, das Timing der Slapstick-Szenen perfekt, der Erfolg beträchtlich: fünf Komödien drehte er nach «Brust und Keule» noch, die finanziell seine erfolgreichsten Jahre darstellten, und überforderte damit vermutlich seine Gesundheit: 1983 erlag er in Nantes den Folgen eines Herzinfarktes. Er wurde 68 Jahre alt.