Kultwerk #45: The Stand

Viele Werke Stephen Kings zählen heute schon zu den Klassikern. Doch eines wird oft übersehen.

«The Stand» wurde 1994 als vierteiliger Fernsehfilm ausgestrahlt. Der dämonische Randall Flagg bringt Tod und Verderben. (Bild: Cinetext Bildarchiv)

Viele Werke Stephen Kings zählen heute schon zu den Klassikern. Doch eines wird oft übersehen.

Es gibt kaum Schriftsteller, die im ­Laufe ihrer Karriere einen solch immensen Output an Romanen vorweisen können wie Stephen King. Bis heute hat der Meister der Horrorliteratur über 40 Romane und 100 Kurzgeschichten veröffentlicht. Weltruhm erlangte er vor allem mit seinen Werken «Carrie», «Shining» und «Es».

Doch eines seiner Bücher wird in der breiten Öffentlichkeit meist ausser Acht gelassen. Zu Unrecht, denn der 1978 erschienene Endzeit­roman «The Stand» geniesst unter Fans seit jeher Kultstatus. Und nicht ohne Grund geben die Macher der Erfolgsserie «Lost» ­offen zu, sich an diesem frühen Werk von Stephen King orientiert zu haben. Sowohl das Buch wie auch die Serie behandeln das Zusammenleben und Überleben von Menschen in einer apokalyptischen Welt.

Der Kampf zwischen Gut und Böse beginnt

Ein in einem militärischen Labor gezüchtetes Supergrippe-Virus bricht aus und rafft fast die gesamte Erdbevölkerung dahin. Nur wenige sind gegen das tödliche Virus resistent. In einem entvölkerten, mit Leichen übersäten Amerika schart der ehe­malige Fabrikarbeiter Stu Redman eine Handvoll Überlebender um sich, um die ­Zivilisation zu retten.
Einigen von ihnen ­erscheint in ihren Träumen eine über hundert Jahre alte schwarze Frau, Mutter Abagail genannt.

Sie folgen ihrem Ruf und gründen in der Kleinstadt Boulder die «Freie Zone», eine Bastion der Zivilisation. Andere haben Visionen von einem dunklen Mann namens Randall Flagg, der in Las Vegas einen totalitären Staat aufbaut. Sie begeben sich zur Wüstenstadt und formieren sich unter der Führung von Flagg zu einer militärischen Streitmacht. Dabei offenbart sich der dunkle Mann immer mehr als personifiziertes ­Böses, ein Chaosbringer mit diabolischen Kräften, der sein Regime mit tödlicher Hand führt. Als er von der Existenz der «Freien Zone» erfährt, sieht er diese als Bedrohung an, die zerstört werden muss. Der Endkampf zwischen Gut und Böse beginnt.

Erster Teil der Fernsehverfilmung von «The Stand».

Wie so oft bei Stephen King ist der Plot auch in «The Stand» eher dürftig. Was King zum Meister der Wörterschmiede macht, ist seine beklemmende Darlegung menschlicher Psyche. In jeder Figur schlummern egoistische Motive, brechen irgendwann aus, sabotieren die gemeinsame Sache und verraten ihre Freunde. Niemand kann sich in Sicherheit wähnen und jeder muss ­ständig über seine Schultern schauen, um sicher­zugehen, dass nicht schon ein Messer in seinem Rücken steckt. King sät den ­Horror nicht auf irgendein Monster aus dem Sumpf aus, sondern pflanzt ihn in die Herzen seiner Protagonisten.

 

(Bild: Kevin Winter)

Stephen King
Dem 1947 im Bundesstaat Maine gebo­renen Englischlehrer gelang 1974 der kommerzielle Durchbruch mit seinem Roman «Carrie». Etliche seiner Bücher wurden seither verfilmt. Der trockene ­Alkoholiker erlitt 1999 einen schweren Autounfall, worauf ihn eine lokale ­Zeitung vorschnell für tot erklärte. Stephen King zählt mit einem jährlichen Einkommen von 45 Mio. US-Dollar zu den erfolgreichsten Schriftstellern.

 

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.09.12

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