Kultwerk #54: Taxi Driver

Regisseur Martin Scorsese wird 70, Schauspielerin Jodie Foster wird 50. Ihr Film «Taxi Driver» bleibt zeitlos.

Ein Taxifahrer dreht durch: Robert De Niro im beklemmenden Filmklassiker. (Bild: zVg)

Regisseur Martin Scorsese wird 70, Schauspielerin Jodie Foster wird 50. Ihr Film «Taxi Driver» bleibt zeitlos.

Ins kollektive Filmgedächtnis haben sich Einzelszenen gebrannt: Travis Bickle steht in seiner Marines-Jacke in seiner Wohnung und übt, hart zu sein. «You talkin’ to me? Well I’m the only one here. Who the fuck do you think you’re talking to?», schnoddert er sein Spiegelbild an, um dann die Knarre zu ziehen. Mehrfach wurde der Monolog seither zitiert, aber der Film aus dem Jahr 1976 und Robert De Niros Interpretation des kaputten jungen Taxifahrers Bickle hinterlassen mehr als einzelne Sätze. «Taxi Driver» ist ein 113 Minuten langes, verstörendes Panoptikum der Entfremdung, der Einsamkeit und des langsamen, unaufhaltsamen Abdriftens in eine Psychose.

Der Film entstand nach dem Watergate-Skandal und der Aufarbeitung der Exzesse des Vietnamkriegs, und unterschwellig dräut dieses Klima aus allen Ritzen in Bickles New York: Für ihn ist die Stadt ein Hort der Dekadenz, der Korruption, der Unmoral und der destruktiven Brutalität, die es vom «Abschaum» zu reinigen gelte. So rasiert er sich den Kopf bis auf einen Irokesenkamm kahl und zieht los: «Listen you fuckers, you screwheads, here’s a man who would not take it anymore.»

Das Beklemmende an dieser Figur ist aus heutiger Sicht weniger die Gewalt als vielmehr die Selbstermächtigung von einem, der an seinem Aussenseitertum erkrankt ist und sich als Voll­strecker gegen die ihn ablehnende ­Gesellschaft berechtigt sieht. Der auf­räumen muss mit dem «Dreck auf der Strasse» und mit der kaputten Welt, die ihn nicht in ihre Mitte nimmt. Die elendeste Szene ist sein Dateversuch mit der Wahlhelferin Betsy: Er will sie ins Kino ausführen und schleppt sie in einen Pornofilm, worauf sie ihn angewidert sitzen lässt. Man sieht ­Bickle zu, wie er ausgestossen und angewidert in den Frust abgleitet, bis er zur Selbstjustiz greift – und denkt an all die Amokläufer aus den amerikanischen Schulen, Supermärkten und Bürogebäuden, die derart gewaltsam mit ihrer Umwelt abrechnen wollen, als seien sie seine Wiedergänger.

«Taxi Driver» ist kein Spiel der sinnlosen Gewaltorgie, sondern entwickelt Bickles Charakter in die Tiefe: In der 12-jährigen Prostituierten Iris (Jodie Foster) vermeint er die kindliche ­Unschuld in der verdorbenen Welt zu ent­decken, die er zu retten hat. Regisseur Martin Scorsese wendet das Motiv des edlen Ritters zur Figur des ­blu­tigen Rächers, der seine eigene Ver­blendung überlebt, ohne eindeutig von ihr ­geheilt zu sein. Auch das gehört zu den ­Abgründen dieses Films.

(Bild: zVg)

Jodie Foster «Taxi Driver» machte sie berühmt und holte sie später ein: Ihr Stalker John Hinckley verübte 1981 ein ­Attentat auf US-Präsident Ronald Reagan und verletzte ihn dabei. Er wollte die Schauspielerin damit beeindrucken. Foster, die für ­«Angeklagt» und «Das Schweigen der Lämmer» je einen Oscar ­erhielt, wird am 19. November 50 Jahre alt.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.11.12

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