1978 erschien Kate Bushs Erstlingswerk, das gleichzeitig ihr grösster Erfolg war.
Das Frühjahr 1978: in Grossbritannien kein Zuckerschlecken für Fans aussergewöhnlicher Musik. ABBA stehen mit «Take A Chance On Me» auf Platz 1 der Charts, die Sex Pistols und The Clash rebellieren gegen die Agonie der Thatcher-Ära, aus den USA naht das «Saturday Night Fever». Da zerschneiden plötzlich Sirenenklänge den Schweden-Pop, rotzigen Punk und die Glitterdisco: «Out on the wiley, windy moors we’d roll and fall in green» heult es fast in Ultraschall aus den Radios. «Wuthering Heights», Emily Brontës Drama ist Musik geworden – und was für eine!
Auch wenn es den Anschein hat, dass Kate Bush wie ein Meteorit in die Musikszene hineinknallte, war ihre Karriere von langer Hand vorbereitet. Pink-Floyd-Gitarrist Dave Gilmour setzt sich schon 1975 bei der EMI für sie ein. Für die Einspielung der ersten LP stellt die Plattenfirma im Sommer 1977 eine Sessionband zusammen, in der sich Mitglieder des Alan Parsons Project und von Cockney Rebel tummeln.
Gewagte Kombination: Afterparty-Sex und Spiritualität
«The Kick Inside» erscheint am 20. Januar 1978 und klettert bis auf Platz 3 der Albumcharts. Mit gewagten Themen, stellt man in Rechnung, dass so etwas wie weiblicher Autorenpop bis dahin praktisch nicht existiert hat: Bush erzählt unverblümt von Afterparty-Sex, von Menstruation und ihrer Suche nach Spiritualität.
In «Moving» lädt sie Buckelwale zum Backgroundchor, in «Kite» wirbelt sie als Papierdrachen durch die Lüfte, «James And The Cold Gun» ist ein testosterongeladener Boogierock. Dabei sind die Arrangements mainstreamig, können mit dem Faszinosum der katzenartig irisierenden Stimme nicht mithalten. Symphonisch wird es im Titelstück und in der Ballade «The Man With The Child In His Eyes», eine pubertäre Träumerei, die mit grandiosem Orchesterklang inszeniert wird.
Alle Songs jedoch überstrahlt die hymnisch überdrehte Singleauskopplung «Wuthering Heights» über die unsterbliche Liebe Cathys zu Heathcliff. Sie nistet sich in Grossbritannien für einen Monat an der Spitze der Hitparade ein, als erste Nummer eins aus der Feder einer weiblichen Künstlerin überhaupt. Im Fernsehen performt Kate Bush ihre Version der «Sturmhöhe» zum ersten Mal bei Alfred Bioleks «Bios Bahnhof» in Köln, als präraffaelitische Elfe, mit kuriosem Ausdruckstanz. Und begründet somit auch im deutschsprachigen Raum ihren Ruhm. Selten hatte Popmusik englischere Momente als auf diesem Debüt.
Kate Bush
Catherine Bush, geboren 1958 in Bexleyheath, Kent, als Tochter eines Arztes und einer Krankenschwester, begann schon im zarten Kindesalter mit dem Klavierspielen. Sie vertonte am Instrument ihre eigenen Gedichte und feilte – zur Verzweiflung ihrer Mitbewohner – Nacht für Nacht an ihrem irren Sopran. «Wuthering Heights» blieb ihr grösster Hit.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.03.13