Kultwerk #74: Che Guevara

Dieses Foto kennt jeder. Geknipst hat es der Schweizer René Burri, der am 9. April 80 Jahre alt wird.

Eine Ikone der Fotografie: Che Guevara mit Havanna im Jahr 1962. (Bild: Rene Burri/Magnum)

Dieses Foto kennt jeder. Geknipst hat es der Schweizer René Burri, der am 9. April 80 Jahre alt wird.

«Es ist wie eine Kugel an meinem Bein», sagte René Burri in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» 2011 über sein berühmtestes Foto von Che Guevara. Um gleich zu relativieren: Natürlich sei das Bild höchst positiv für ihn gewesen.

Nicht nur für ihn, sondern auch für den ­abgebildeten kubanischen Guerillaführer. Burris Foto des Zigarre rauchenden Che ­erreichte nach dessen Tod im Jahr 1967 Ikonenstatus – wenn es auch nicht ganz so ­berühmt wurde wie Alberto Kordas «Guerrillero Heroico» (1960), das den ­Revolutionär in nachdenklicher Pose mit Béret auf dem Kopf zeigt und das auf noch mehr T-Shirts, Fahnen und Kaffeetassen Niederschlag gefunden hat als Burris Foto.

Burris Bild wurde 1962 aufgenommen, als Che Guevara Industrieminister in der Revolutionsregierung unter Fidel Castro und Direktor der Nationalbank war. Es entstand in seinem Büro in Havanna, im achten Stock des Hotel Riviera. Eine amerikanische Journalistin interviewte Che fast drei Stunden lang, während Burri mit seiner Kamera um die beiden herumtanzte und acht Rollen Film verbrauchte. Er knipste den Comandante in allen möglichen ­Posen und Stimmungen: wütend, lächelnd, von hinten, von vorne, sitzend im Sessel, herumtigernd im Zimmer. Kein einziges Mal habe Che in die Kamera geschaut, bemerkte Burri später. Dafür habe er sich eine Zigarre nach der anderen angezündet.

Kleines Bild, grosse Wirkung

Das Foto erschien schliesslich in der amerikanischen Zeitschrift «Look», als Teil einer fast 20-seitigen Story. Nur einen Achtel einer Seite war es gross, 22 Fotos erschienen insgesamt. Weshalb genau dieses eine es zur Ikone geschafft hat, keiner weiss es genau. Vielleicht liegt es an diesem herablassenden Blick von oben herab, am in die Höhe gereckten Kinn, an der dicken Havanna zwischen Ches Lippen. Im Gegensatz zu Kordas’ Foto hat das Bild nichts Gestelltes, es wirkt authentisch und scheint deshalb dem Charakter des Rebellenführers näher zu kommen als andere Porträts.

Nachdem der tote Che zum globalen Helden des Widerstandes gegen das Establishment avanciert war, wurde das Foto weltweit tausendfach gestohlen. Che wurde zur Marke, und sein Gesicht tausendfach auf Poster, T-Shirts oder Aschen­becher gedruckt. Mit ihm gelangte auch René Burri zu Weltruhm – was dieser selbst in aller Bescheidenheit sieht: «Das Bild ist berühmt wegen des Typen mit der Zigarre, nicht wegen mir.»

René Burri.

(Bild: Keystone)

René Burri
Ursprünglich stammt der Fotograf aus ­Zürich, lebt aber heute in Frankreich: René Burri, geboren 1933, besuchte die Kunstgewerbeschule in Zürich und machte neben Fotos auch Dokumentarfilme. Sein erstes Foto einer bekannten Person schoss er als 13-Jähriger: Sein ­Sujet war Winston Churchill. Nach 1956 bereiste er als Fotoreporter die ganze Welt, seit 1959 ist er Mitglied der Fotoagentur Magnum.

In dieser Rubrik stellen wir jeweils ein Kultwerk vor, das in keiner Sammlung fehlen sollte.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.04.13

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