Kultwerk #80: The Great Gatsby

Mit seinem Kultroman setzte F. Scott Fitzgerald den «Roaring Twenties» ein bis heute unvergessliches Denkmal – allerdings kein schmeichelhaftes.

Neuverfilmung: Carey Mulligan (Daisy) und Leonardo DiCaprio in «The Great Gatsby». (Bild: zVg)

Mit seinem Kultroman setzte F. Scott Fitzgerald den «Roaring Twenties» ein bis heute unvergessliches Denkmal.

F. Scott Fitzgeralds Roman ist fast neunzig Jahre alt, die Themen sind nach wie vor aktuell: übermässiger Reichtum und Dekadenz auf der einen, Emporkömmlertum und Verzweiflung auf der andern Seite. Auch wenn uns der Exzess, die schrille Attitüde und das Leben auf der Überholspur faszinierend opak erscheinen, lohnt es sich, einen Blick in den 1922 spielenden Schlüssel­­roman der «Roaring Twenties» zu werfen.

Worum geht es in «The Great Gatsby»? Der junge Nick Carraway, Yale-Abgänger und Weltkriegsveteran, zieht mit knapp 30 Jahren in das reiche Long-Island-Städtchen West Egg, wo er auf seine Cousine ­Daisy trifft, die mittlerweile mit dem Multi­millionär Tom Buchanan verheiratet ist.

Gleichzeitig freundet er sich mit dem gleichaltrigen Jay Gatsby an, seinem neuen Nachbarn, einem charmanten, aber undurchsichtigen Selfmademan, der sein Vermögen Gerüchten zufolge mit organisierter Kriminalität und (Prohibition sei Dank) ­Alkoholschmuggel verdient haben soll. Dennoch sind Daisy und Tom wie ­unzählige andere Long-Island-Bewohner gerne bereit, alle Bedenken über Bord zu werfen, um an Gatsbys ausschweifenden Partynächten und Feiereien teilzunehmen.

Auch Carraway verfällt kurzfristig dem oberflächlichen Glanz dieser Jeunesse ­dorée und beginnt eine Liaison mit Daisys Freundin Jordan Baker, einer leidenschaftlichen Golferin mit grossem Ehrgeiz und zweifelhaftem Ruf.

Nichts ist, wie es scheint

Doch bereits nach kurzer Zeit realisiert der ernüchterte Nick, dass hier kaum etwas ist, wie es scheint: Während Tom eine Amour fou mit Myrtle, seiner ebenfalls verheirateten Geliebten aus Arbeiterhaus zelebriert, ist Gatsby in Wirklichkeit ein Hochstapler, der – besessen vom Gedanken, seine Jugendliebe Daisy zurückzugewinnen – am Ende sogar sein Leben für sie opfert, ohne den gerechten Lohn zu kriegen. An der Beerdigung des glamourösen Gatsby nehmen gerade mal zwei Personen Teil: eine davon ist Nick.

Der Kultroman, welcher nach und nach unerbittlich den amerikanischen Traum dekonstruiert, zählt heute zu den wichtigsten Werken des 20. Jahrhunderts, war bei seiner Veröffentlichung 1925 allerdings alles andere als gefragt. Im Gegenteil: Nach zum Teil vernichtenden Kritiken wurde F. Scott Fitzgeralds Opus magnum allzu schnell vergessen – und erst nach seinem Tod 1940 als (Un-)Sittengemälde wiederentdeckt. Fitz­gerald selbst starb schliesslich genauso einsam wie sein unsterblicher Gatsby.

Baz Luhrmann

Baz Luhrmann (Bild: zVg)

Kritik an Baz Luhrmanns neuem Gatsby «The Great Gatsby» wurde mehrfach verfilmt: Das erste Mal 1926 als Stummfilm, 1974 mit Robert Redford und Mia Farrow und soeben unter der ­Regie des Australiers Baz Luhrmann ­(«Romeo + Juliet», «Moulin Rouge») als opulent-­romantisches Drama in 3D, mit Tobey Maguire als Nick und Leonardo DiCaprio als Gatsby. Nicht zur Freude aller: Kritiker monieren, der Film sei zu oberflächlich und unkritisch geraten.


 

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.05.13

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