Vor 150 Jahren wurde der Komponist und Dirigent Felix Weingartner geboren. Er bescherte Basel fantastische Musik – und einen Skandal.
Es ist eine fulminante Eröffnung, mit der die 7. Sinfonie von Felix Weingartner anhebt: ein Paukenschlag als Initialzündung, die Streicher im Unisono, das Thema von stolzem, stoischem Rhythmus, nicht weichend von der einmal erreichten Tonhöhe. Blechbläserakkorde rücken die Harmonik jeden Takt in ein anderes Licht. Der monumentale Gesamtklang bäumt sich auf, verglüht wie ein Stern. Zurück bleibt ein hell gleissender Orgelklang.
Felix Weingartner (1863–1942) gehört zu den grossen Unbekannten der Klassik.
Marko Letonja hat mit dem Basler Sinfonieorchester zwar eine viel beachtete Einspielung von Weingartners Sinfonien vorgelegt, doch kaum ein Veranstalter war bereit, diese aufzuführen. So lässt eine Renaissance von Weingartners Werken weiter auf sich warten.
Filmmusik könnte das sein oder ein Kommentar zur Musiksprache Anton Bruckners und Gustav Mahlers. 1942 wurde diese letzte Sinfonie von Felix Weingartner uraufgeführt – im Musiksaal des Basler Stadtcasinos. Die Reaktionen waren enthusiastisch.
Doch das Verhältnis der Basler zu «ihrem» Weingartner, dessen Geburtstag sich am 2. Juni zum 150. Mal jährt, war nicht immer so. Felix Weingartner, Edler von Münzberg lautet sein ganzer Name. Den Adelstitel hatte er zwar abgelegt, nicht aber sein kühles und distanziertes Auftreten.
Selbstbewusster Musiker
Als Dirigent war Weingartner höchst erfolgreich. Berlin und München hiessen die prominentesten Stationen seiner Karriere; mit den Wiener Philharmonikern unternahm er eine Welttournee. Er war keiner jener Kapellmeister, die das Geschehen im Orchester bloss koordinierten, sondern er war einer der ersten Dirigenten, die als Interpreten selbstbewusst in Erscheinung traten. Weingartner setzte sich zu den Grössen der Musikwelt in Beziehung, sah Beethoven als das kulturelle Erbe an, das es zu bewahren galt, verfasste einen Nachtrag zu Richard Wagners Schrift «Über das Dirigieren». Leidenschaftliches Temperament sei dafür unabdingbar, schreibt er, und dass dies nicht erlernbar, sondern angeboren sei.
Weingartner war ein Star, als er sich 1927, im Alter von 64 Jahren, entschied, in Basel eine neue Wirkungsstätte anzutreten. Man bot dem Österreicher gleich drei Ämter an: Er wurde gleichzeitig Chefdirigent des damaligen Basler Orchesters, künstlerischer Leiter der Allgemeinen Musikgesellschaft und Direktor des Konservatoriums.
Doch der Stolz der Basler währte nicht lange. Weingartner verliebte sich in seine Studentin Carmen Studer und machte die 44 Jahre jüngere Dirigentin zu seiner fünften Ehefrau. Ein Skandal für das Bürgertum. In seinen Lebenserinnerungen schilderte Weingartner, wie etwa an der Fasnacht versucht wurde, dem Paar gewaltsam die Maskierung vom Kopf zu reissen. 1935 zog er weiter: an die Wiener Staatsoper.
Die siebte Sinfonie ist leider nicht verfügbar im Internet. Hier können Sie sich aber immerhin einen Höreindruck von Weingartners dritter Sinfonie machen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 31.05.13