Kultwerk #84: «Etappe»

Dieses Werk von Neo Rauch ist vielleicht nicht sein berühmtestes. Aber es ist Kult – seinem Besitzer sei Dank.

Hängt bei Brad Pitt im Wohnzimmer (oder so): Neo Rauchs «Etappe». (Bild: zVg)

Dieses Werk von Neo Rauch ist vielleicht nicht sein berühmtestes. Aber es ist Kult – seinem Besitzer sei Dank.

Wenn Brad Pitt etwas kauft, dann muss es gut sein. Oder zumindest hip. ­Ganze 1,02 Mil­lionen Franken zahlte der Hollywood-Star und leidenschaftliche Kunstsammler 2009 an der Art Basel am Stand der New Yorker Galerie Zwirner für das G­emälde «Etappe» von Neo Rauch. Zwei auf drei Meter misst das Werk, das nun ­hoffentlich die Villa des Schauspielers (und nicht einen Safe) ziert.

Neo Rauch war damals schon lange kein Unbekannter mehr. Seine Werke gingen weg wie warme Semmeln, und wenn man den Gerüchten glaubt, so soll Brad Pitt nur deshalb diese Arbeit gekauft haben, weil ihm ein Sammler, der bereits vier Rauch-Gemälde besass, dazu geraten hatte. Mit der Adelung durch Pitts Kauf jedoch war Rauch ­jedoch erst recht in aller Munde, auch kunstferne Kreise interessierten sich nun für den deutschen Maler.

Der Leipziger, der ebenso sehr aus der Realität wie aus Träumen und dem kunsthistorischen Fundus schöpft, hatte 2009 schon einige grosse Ausstellungen hinter sich, etwa eine Retrospektive im Kunstmuseum Wolfsberg und eine Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York. Rauch hatte Ende der 1980er-Jahre an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert, aus der die Vertreter der «Neuen Leipziger Schule» hervorgingen. Diese geriet ab Ende der 1990er in den Fokus des internationalen Kunstmarkts, wodurch gerade Rauch vor allem in den USA zum deutschen Exportschlager avancierte. Einen nicht unwesentlichen ­Anteil daran hatte der Leipziger Galerist Gerd Harry Lybke mit seiner Galerie ­«Eigen + Art».

Rauch setzt sich in seinem Œuvre mit den fundamentalen Problemen der Malerei der Moderne, mit dem Verhältnis von Fläche und Raumillusion, von Abstraktion und Figuration, auseinander. «Etappe», das von Brad Pitt erworbene Bild, ist ein gutes Beispiel dafür.

Flächig gemalt, ohne perspektivische Tiefe, steht im Zentrum des Bildes ein Rennauto still. Zwei Männer bewegen sich darauf zu, in den Armen ein Farbkabelbündel haltend, dessen Zweck unklar bleibt – ist es ein Benzinschlauch? Wie der verkehrt vom Himmel hängende Baum darf auch dieses Bündel als Beispiel für surrealistische Elemente gesehen werden, die Rauch gerne in seine Bilder einbaut. Trotzdem wirkt «Etappe» weniger geheimnisvoll als andere seiner Bilder. Wirklich magisch war für kurze Zeit höchstens der Kult darum.

Neo Rauch
Neo Rauch wurde 1960 in Leipzig geboren. Er studierte an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rink, dessen Nachfolger als Professor er von 2005 bis 2009 war. Als Maler wahrgenommen wurde er bereits in den 1980er-Jahren. Seine Bilder aus jener Zeit lässt er aber selber nicht mehr gelten. Für seine aktuellen Werke werden bis zu 1,5 Millionen Dollar bezahlt.


In dieser Rubrik stellen wir jeweils ein Kultwerk vor, das in keiner Sammlung fehlen sollte.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.06.13

Nächster Artikel