Ein Film von Besessenen über einen Besessenen: 1981 ertrug Werner Herzog im peruanischen Dschungel Klaus Kinskis Wutausbrüche und versetzte mit «Fitzcarraldo» sogar einen Berg.
Es kommt selten vor, dass die Nebenschauplätze eines Films das eigentliche Werk überragen. Bei «Fitzcarraldo» aber trifft das zu. Der Film, den Werner Herzog 1981 im peruanischen Urwald drehte, erzählt die Geschichte von Brian Sweeney Fitzgerald alias Fitzcarraldo. Der irische Abenteurer sucht Anfang des 20. Jahrhunderts im Amazonas-Gebiet sein Glück. Sein Traum: Er will in der peruanischen Stadt Iquitos eine Oper errichten.
Das Filmfestival Locarno ehrt Werner Herzog am 16. August 2013 mit einem Ehrenleoparden. Der Filmemacher kam 1942 in Bayern zur Welt und wuchs in ländlicher Abgeschiedenheit auf. Er entschied sich mit 21 Jahren, eine Filmproduktionsfirma zu gründen. Seither arbeitet er schier unermüdlich, dreht preisgekrönte Dokumentarfilme (etwa «Grizzly Man» oder «Cave of Forgotten Dreams») sowie fiktionale Geschichten (besonders verstörend: «Auch Zwerge haben klein angefangen», besonders berühmt: «Nosferatu» und «Aguirre, der Zorn Gottes».
Ein filmisches Selbstporträt von Werner Herzog aus dem Jahr 1986 finden Sie hier.
Um diesen finanzieren zu können, muss der mittellose Musikfan zu Reichtum kommen. Kautschuk ist das flüssige Gold dieser Zeit, weshalb er mit Hilfe seiner Geliebten Molly (Claudia Cardinale) ein Dampfschiff kauft. Damit will er in unbesiedelten Dschungel vordringen und Kautschuk gewinnen. Doch der Weg ist beschwerlich, führt durch wildes Indianergebiet – und das Schiff über einen Berg. In den gefährlichsten Situationen hat Fitzcarraldo einen Schutzengel: Enrico Caruso. Die göttliche Stimme des Baritons treibt den Abenteurer an – und lässt sogar indianisches Kriegsgeheul verstummen.
Allesamt Besessene
Ohne Special Effects hat Werner Herzog «Fitzcarraldo» gedreht und dabei – selbst ein Besessener – tatsächlich ein Dampfschiff über einen Berg ziehen lassen (was der Basler Beat Presser fotografisch dokumentiert hat). Die Anekdoten über die Entstehung sind gar verrückter als der Film selbst: Ein Arbeiter, der mit einer Motorsäge Bäume fällte, wurde von der giftigsten Schlange im Dschungel gebissen. Kein Gegengift in Reichweite, amputierte er sich mit der Säge den Fuss, was ihm das Leben rettete.
Kinski klinkt aus
Das Projekt drohte immer wieder zu scheitern. Der halbe Film war bereits gedreht, als drei Darsteller ausstiegen – Jason Robards, Mario Adorf und Mick Jagger (der mit seinen Rolling Stones wieder auf Tour gehen wollte). Klaus Kinski war am Ende Herzogs Retter in der Not und zugleich Pain in the Ass. Die beiden hatten schon mehrfach zusammengearbeitet, Herzog war vertraut mit den Ausbrüchen des furchtbar-genialen Schauspielers und furchterregenden Egomanen. Was Kinski am Filmset bot, ist auf Youtube anzusehen: Legendär die dokumentarische Szene, in der Kinski wegen einer Nichtigkeit komplett ausrastet und ein Crewmitglied anflucht, anschreit und mit Mord droht.
Kinskis Ausraster blockierten die Dreharbeiten immer wieder, schüchterten das gesamte Ensemble ein. Die indianischen Häuptlinge, die als Statisten mitspielten, boten Werner Herzog am Ende an, den cholerischen Schauspieler umzubringen. Der Filmemacher verzichtete darauf.