Vor 60 Jahren kam «Die Faust im Nacken» ins Kino – einer der grössten unter den grossen Filmen von Marlon Brando. Vor zehn Jahren ist der US-Schauspieler verstorben.
Wie auswählen bei einem wie ihm? Er, Don Corleone und Colonel Kurtz, The Wild One und der rüde Kowalski? Am 1. Juli 2004, vor zehn Jahren, verstarb er, Marlon Brando, einer der Grössten, die man auf der Leinwand je gesehen hat. 80 Jahre alt ist er geworden, am Ende war er krank, launisch und verfettet, aber hinterlassen hat er eine Schauspielerkarriere, die so reich an Spektakel war wie manche Station seines Lebens.
Brando wählte, ob auf dem Zenit seines Schaffens oder in einer seiner Revolten gegen die eigene Verblassung, Rollen, an deren Drastik der Verkörperung man sich reiben musste. Technik seines Spiels war das Method Acting, das er in den 1940er-Jahren in New York lernte – mehr noch: definierte. Method Acting, das Spiel als Rekurs auf emotionale Stimuli, denen persönliche Gefühle des Schauspielers zugrunde liegen, verlangt ein Repertoire an emotionalen Ausdrücken, das Brando mit einem ungeahnten Reichtum beherrschte.
Stilbildend war seine Performance als Stanley Kowalski in «Endstation Sehnsucht» (1950), den er zuvor bereits auf der Broadway-Bühne darstellte. Brandos Darstellung ikonisierte einen neuen, männlichen Sexualitätstyp – muskelbepackt in engen Jeans, jedoch mit einem schläfrigen bis zweifelnden Ausdruck inszeniert, der sich vom klassischen Draufgänger spürbar unterschied.
Mannigfaltiges Mienenspiel
Brando, der impulsive Zauderer: Vier Jahre später brachte er dieses frühe Rollenspiel zur Vollendung. Im Film «Die Faust im Nacken», der 1954, vor 60 Jahren, in die Kinos kam, spielte er einen jungen Hafenarbeiter in New York, der sich gegen die korrupte Gewerkschaft der Dockarbeiter auflehnt – und damit auch gegen seinen älteren Bruder, der als Rechtsanwalt für die Gewerkschaft tätig ist und den Jüngeren für Gefälligkeitsarbeiten einsetzt.
In Zusammenhang mit einem Mord führen die beiden auf dem Rücksitz eines Autos eine minutenlange Diskussion um Ehre, Ideale und Sinn im Leben. Eine Szene, die nur so strotzt vor Brandos mannigfaltigem Mienenspiel. Mehrfach fährt die Kamera ihm nahe ans Gesicht, zeigt seine zerfurchte Stirn in den Momenten der Überraschung, seine verzogenen Mundwinkel, wenn ihn Skepsis befällt, und schliesslich den desillusionierten Blick nach draussen, begleitet von einem tiefen, lauten Seufzer.
«Die Faust im Nacken» ist ein bezeichnender Film für Brando, weil er hier nicht nur den Rebellen gegen ein Establishment spielte, sondern sich mit dieser Rolle auch auf die Seite der Unterdrückten und Entrechteten schlug – ein Engagement, das sich später im echten Leben in seinem Einsatz für die Bürgerrechte der Afroamerikaner und der nordamerikanischen Ureinwohner wiederholte. Der Film stellte ausserdem auch für Brandos Schauspielerkarriere eine prominente Wegmarke dar: danach wollte jeder spielen wie er. Für diese Rolle erhielt er seinen ersten von zwei Oscars. Den zweiten, 1973 vergeben für seine Darstellung Vito Corleones, lehnte er ab.