Kunst braucht mehr Zusammenspiel statt Wettbewerb

An den «Nachtflimmern»-Tagen im Projektraum M54 werden Videoarbeiten der lokalen Kunstszene gezeigt. Mit dabei: der Rodersdorfer Künstler Samuel Eugster. Die Idee findet er gut – die Umsetzung allerdings hält er für verbesserungswürdig. In der kompletten, komplexen, überbordenden Unübersichtlichkeit der Kunstszenerien meldet sich im Projektraum M54 von visarte, dem Fachverband der Kunstschaffenden der Region Basel, «Nachtflimmern». […]

Die Kunst verschwindet fast im Möbellabyrinth des M54.

An den «Nachtflimmern»-Tagen im Projektraum M54 werden Videoarbeiten der lokalen Kunstszene gezeigt. Mit dabei: der Rodersdorfer Künstler Samuel Eugster. Die Idee findet er gut – die Umsetzung allerdings hält er für verbesserungswürdig.

In der kompletten, komplexen, überbordenden Unübersichtlichkeit der Kunstszenerien meldet sich im Projektraum M54 von visarte, dem Fachverband der Kunstschaffenden der Region Basel, «Nachtflimmern». Da zeigen 2 x 25 KünstlerInnen ihre Videos und Filme je an einem Wochenende von 18 bis 1 Uhr.

Unglaublich, was da alles zusammenkommt: Von dokfilmartigen Aufzeichnungen über rein Abstraktes, Witziges, Zufällig-Wunderbares bis zum Beinah-aber-theoretiesch-doch-nicht-Porno. Da gibt es von der Poesie bis zum Drama, von der wissenschaftlichen Studie bis zum philosophischen Essay alles zu sehen. Eine aberwitzige Fülle von Welten wird sichtbar für die BesucherInnen, wenn sie sich nur die Geduld und die Mühe nehmen, locker und doch genau hinzuschauen.

Im Speaker’s Corner publiziert die TagesWoche ausgewählte Texte und Bilder von Community-Mitgliedern. Vorschläge gerne an community@tageswoche.ch.

Was die Schau zusammenhält, ist der in allen Arbeiten wahrnehmbare künstlerische Ansatz. Und die Veranstalterinnen haben sich mit einer Art Möbellabyrinth auch noch was einfallen lassen bei der Präsentation von 25 Flimmer-Werken in einem einzigen grossen Raum.

Dass diese geniale Idee sich nicht für alle als in gleichem Masse genial erweisen konnte, löste beim Schreibenden, der sich selbst unter den auserwählten Teilnehmenden der ersten Serie fand, einen Denkprozess aus. Dieser soll hier formuliert und zur Diskussion gestellt werden.

Zwar ist so ein Überblick im Durcheinander unserer verrückten Welt immer wieder interessant. Vielleicht könnte mans auch anders anpacken:

    • Entweder die ausgewählten Arbeiten werden jede für sich allein gebührend gewürdigt, indem man sie in voller Grösse und anständiger Ton- und Lichtqualität vorführt
    • oder man erarbeitet eine gemeinsame Installation, in der sich jede und jeder seinen/ihren Platz sucht. Das braucht eine gute Koordination, die dafür sorgt, dass sich die Ideen nicht gegenseitig aufheben oder blockieren, sondern ergänzen, steigern und zu einer Einheit finden.

Schwierig ist hingegen diese Mischform einer nachträglichen Kuratierung. Auch wenn die Idee mit dem Möbellabyrinth genial ist, schafft sie doch erneut mit der sehr unterschiedlich komfortablen Präsentation eine Rangordnung. So selektionieren die Veranstalter ein zweites Mal.

Verlust an Sorgfalt der Begegnung

Der Haken ist der Wettbewerb und die mit ihm ausgelöste Dynamik, die immer mehr Wettbewerb produziert statt Zusammenspiel. Wettbewerb und Selektion, diese ökonomistischen Zauberwörter sollen auch in der Kunst gelten. Sie richten nur Schaden an. Was unter die Räder kommt, sind nicht nur die einzelnen Arbeiten von einzelnen KünstlerInnen. Viel gravierender ist der Verlust an Sorgfalt in der Begegnung. Der Verlust an einer Vielfalt von Begegnungs- und Kommunikationsmöglichkeiten auf allen Ebenen, unter und zwischen den Ausstellenden, den Veranstaltern und den Besuchern.

Das sind Überlegungen, die nicht nur ein Fach- und Insidergremium betreffen. Im Gegenteil. Indem wir klare Strukturen schaffen, könnte es gelingen, enge Insider-Szenen zu überwinden ohne in die Plattitüden eines Provinzialismus oder Kunstbetriebs unter dem Diktat des Ökonomismus abzugleiten.

Aber natürlich ist «Nachtflimmern» ein eminent wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Was man hier in Ansätzen zu sehen bekommt, könnte der Basler Film- und Videoszene zur notwendigen lokalen Präsenz verhelfen.

Zufällig kam ich auf dem Nachhauseweg am ehemaligen Kiosk am Rand der Kaserne-Matte vorbei. In einem Werbespot wird da für das international ausgerichtete HeK, Haus der elektronischen Künste, geworben. Dasselbe Geflimmer und Gefunkel wie auf dem Herbstmäss-Jahrmarkt daneben. Nach zwei Sekunden hat mans gesehen.
Da ist «Nachtflimmern» anders.

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Nachtflimmern: 14. und 15. November 2014, jeweils von 18 bis 1 Uhr. Projektraum M54, Mörsbergerstr. 54, Basel.

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