Hochkarätige Musiker aus dem Ausland dürfen in der Schweiz teilweise nicht arbeiten – wegen absurden Zuwanderungsgesetzen. Ecopop würde das noch verschärfen. Deshalb müssen sich Kunstschaffende vehement wehren. Denn: Kunst kennt keine nationalen Grenzen.
Rund 50 Musikerinnen und Musiker aus sogenannten Drittstaaten müssen die Schweiz voraussichtlich bis Ende Jahr verlassen. Die in der Stadt Basel und im Kanton Baselland wohnhaften Musikerinnen und Musiker müssten laut Gesetz eine Festanstellung von mindestens 75 Prozent vorweisen.
Das entspricht jedoch nicht dem realen Arbeitsmarkt in künstlerischen Berufen. Auch in anderen Kunstsparten bilden Festanstellungen die Ausnahme. Die meisten Theaterschaffenden, Tanzschaffenden, Autoren und Bildenden Künstlerinnen sind freischaffend tätig.
Weltfremd und absurd
Die Kontingentierung von ausländischen Arbeitskräften im Kulturbereich zeigt bereits jetzt weltfremde und absurde Züge: So dürfen Musikschulen zum Teil hochkarätige Musiker nicht anstellen, da der Nachweis nicht erbracht werden kann, dass es in der Schweiz «keinen vergleichbaren Künstler» gibt.
Werden die immer strikteren Ausländergesetze konsequent umgesetzt, bleibt der Schweiz eine nationalistische Schrumpfkultur nach dem Motto Quote statt Qualität.
Man könnte nun fragen: Sollten die Schweizer Künstlerinnen und Künstler denn jetzt nicht aufatmen? Durch den Inländervorrang könnten unliebsame und gefürchtete Konkurrenten per Gesetz ausgeschaltet werden, was den eigenen Weg zum Erfolg ebnen könnte. Als Schweizer Künstler müsste man sich also nur noch innerhalb des eigenen Landes behaupten.
Sie atmen nicht auf, die Schweizer Künstlerinnen und Künstler.
Sie wehren sich. Sie wehren sich für einen Kunstbegriff, der Offenheit zur Voraussetzung hat. Nationale Grenzen und Isolierung widersprechen diesem Kunstverständnis zutiefst.
Kunst ist nicht denkbar ohne Einflüsse von aussen
Wir alle lesen Weltliteratur, schauen uns internationale Filme an, hören Musik aus anderen Ländern und orientieren uns so in der Welt. Kunstströmungen beeinflussen sich gegenseitig, nehmen Impulse auf und setzen sie auf eigene neue Art um. Das heisst ganz klar: Kunst ist nicht denkbar ohne Einflüsse von aussen.
Daher folgten zahlreiche Künstlerinnen und Künstler dem Aufruf zum Aktionstag gegen Ecopop, den die Plattform «Kunst + Politik» lanciert hatte. Von den angefragten Kulturinstitutionen allerdings liessen sich einige entschuldigen mit dem Verweis auf ihre Rolle als Subventionsempfängerinnen. Man teile zwar die Ansicht durchwegs, dass die Forderungen der Ecopop-Initiative für das Kunstschaffen fatale Folgen hätten, aber als Vertreter einer subventionierten Institution könne man sich öffentlich nicht zu einer bevorstehenden Abstimmung äussern.
Subventionen dürfen kein Schweigegeld sein. Gerade die Vertreter wichtiger Kulturinstitutionen sollten sich zu politischen Fragen, die sie unmittelbar betreffen, dezidiert äussern anstatt sich in Meinungs-Abstinenz zu üben.
Kunst braucht den Blick über den Tellerrand, um nicht belanglos zu sein. Und sie darf nicht in vorauseilendem Gehorsam anpasserisch werden. Kunst braucht Mut.
Die Schweiz wird zum kleinen gallischen Dorf
Isoliert man die Künstlerinnen und Künstler innerhalb der nationalen Grenzen, wird die hiesige Kulturlandschaft über kurz oder lang austrocknen. Schweigen sie selbst bei so fundamentalen Fragen, die sie selbst betreffen, isolieren sie sich zusätzlich innerhalb der Gesellschaft. Und die Schweiz wird zum kleinen gallischen Dorf und ihre Kultur zum gefesselten Barden.
Die Kontingentierung von ausländischen Arbeitskräften beschneidet die Qualität und das Entwicklungspotenzial des hiesigen Kunstschaffens. Vernetzung und Austausch halten die Kunst lebendig und am Puls der Zeit. Und während ausländischen Künstlerinnen und Künstlern das Arbeiten in der Schweiz immer mehr verwehrt wird, werden auch ihre Schweizer Kolleginnen und Kollegen Mühe haben, für ihre Theaterproduktionen, Konzerte, Ausstellungen und Filme im Ausland Partner und Anerkennung zu finden.