Nach gewalttätigen Protesten türkischer Nationalisten gegen Kurden hat die legale Kurdenpartei HDP der Staatsführung in Ankara Kriegstreiberei vorgeworfen.
Präsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hätten «eine Entscheidung für den Bürgerkrieg gefällt», sagte HDP-Chef Selahattin Demirtas in einer von mehreren Internet-Medien live übertragenen Stellungnahme im südostanatolischen Diyarbakir. Er sprach von Lynchversuchen, die mit staatlicher Hilfe und Unterstützung der Regierung gestartet worden seien.
In der Nacht hatten Nationalisten in mehreren Städten der Türkei gegen die jüngsten Gewaltaktionen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) demonstriert. Dabei griffen sie kurdische Geschäfte und HDP-Vertretungen an; die HDP-Zentrale in Ankara ging in Flammen auf.
In Istanbul belagerten zudem Anhänger der türkischen Regierungspartei AKP erneut die Redaktion der «Hürriyet». Sie bewarfen das Redaktionsgebäude mit Steinen und verschafften sich gewaltsam Zutritt. Die Polizei drängte die Demonstranten zurück, die dann erneut in Slogans die AKP priesen.
Demirtas warf den Behörden vor, die Einrichtungen seiner Partei nicht gegen den Mob geschützt zu haben. An die Gewalttäter gewandt fügte er hinzu, seine Partei verfüge über genügend Aufnahmen von Überwachungskameras und andere Beweismittel und werde rechtlich gegen sie vorgehen.
Europarat besorgt
Demirtas warf Erdogan und Davutoglu vor, bei der bevorstehenden Parlamentsneuwahl am 1. November mit allen Mitteln einen Sieg der bisherigen Regierungspartei AKP erzwingen zu wollen. Die AKP hatte bei der regulären Wahl im Juni ihre absolute Mehrheit der Sitze im Parlament nach mehr als zwölf Jahren Alleinregierung verloren.
Der Europarat zeigt sich tief besorgt über die Eskalation des Kurdenkonflikts in der Türkei und fürchtet um die Demokratie in dem Land. «Ich verurteile die tödlichen Attacken auf türkische Sicherheitskräfte mit Nachdruck», erklärte Generalsekretär Thorbjörn Jagland.
Er sei zugleich alarmiert über «die Angriffe auf politische Parteien und Medien, die die Demokratie zu destabilisieren drohen». Er rief Regierung und Behörden auf, «alles zu tun, um die Bürger und das demokratische Leben im Land zu schützen».