Kurdischer Menschenrechtsanwalt in der Türkei erschossen

Die Tötung eines prominenten kurdischen Anwalts durch einen Schuss in den Kopf hat die Spannungen im Südosten der Türkei am Samstag weiter angeheizt. Die Hintergründe der Tat waren zunächst unklar.

Der Anwalt Tahir Elci wurde am Samstag getötet. (Bild: sda)

Die Tötung eines prominenten kurdischen Anwalts durch einen Schuss in den Kopf hat die Spannungen im Südosten der Türkei am Samstag weiter angeheizt. Die Hintergründe der Tat waren zunächst unklar.

Der Schuss auf den Vorsitzenden der Anwaltskammer von Diyarbakir, Tahir Elci, fiel dort nach Zeugenberichten im Laufe einer Schiesserei, bei der auch zwei Polizisten getötet und zehn weitere Menschen verletzt wurden.

Während einer von Elci abgegebenen Presseerklärung seien die türkischen «Sicherheitskräfte angegriffen worden», teilte der Gouverneur der Provinz Dyarbakir mit. Unter den Verletzten war nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch ein Journalist.

Der 49-jährige Elci hatte sich auf einer Pressekonferenz zum Schutz des vierbeinigen Minaretts, eines Wahrzeichens der Kurdenstadt Dyarbakir, geäussert.

Schuldzuweisungen

Zunächst stand nicht fest, ob der bekannte Menschenrechtsanwalt und Verteidiger von Mitgliedern der kurdischen Minderheit gezielt getötet oder versehentlich von einer Kugel getroffen wurde.

Ein Augenzeuge sagte der Nachrichtenagentur Dogan, ein bärtiger Mann habe das Feuer auf Elci eröffnet. Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Anadolu machte die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für den Angriff auf den gemässigten Juristen verantwortlich.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigte sich «traurig über den Tod von Elci». Der islamisch-konservative Staatschef, der seit Juli mit einem massiven Militäreinsatz gegen die kurdischen Rebellen vorgeht, sagte in einer Rede, der Kampf gegen den «Terrorismus» müsse bis zum Ende geführt werden.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, Elci könne «ermordet» worden sein. Wenn das der Fall sei, werde alles aufgeklärt, und die Verantwortlichen würden festgenommen.

Es könne aber auch sein, dass der Anwalt in einen Schusswechsel geraten sei, «nachdem die Terroristen die Soldaten angriffen». Die US-Botschaft in Ankara zeigte sich schockiert über Elcis Tod und nannte ihn einen «mutigen Verteidiger von Menschenrechten».

Zwei Kurden getötet

In dem Stadtteil Sur von Diyarbakir, in dem sich die Schiesserei abspielte, kommt es regelmässig zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen der Polizei und jungen PKK-Anhängern. Die Behörden verhängten über Sur eine Ausgangssperre. Bei Schiessereien wurden dort am Abend zwei kurdische Aktivisten getötet.

Die linksliberale, prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) sprach von einem «geplanten Mord» und forderte zu Protesten auf. Mit Elcis «Ermordung» solle der «Kampf für Recht und Gerechtigkeit» getroffen werden.

Der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu, sagte: «Die Anprangerung von Gewalt sollte nicht mit Mord bestraft werden». In seiner Presserklärung hatte Elci kurz vor seinem Tod gesagt: «Wir wollen keine Kämpfe, keine Feuerwaffen an diesem historischen Ort.»

Kundgebung aufgelöst

Die türkische Polizei löste am Abend in Istanbul eine Kundgebung aus Protest gegen die Tötung des Anwalts gewaltsam auf. Wie AFP-Reporter berichteten, gingen die Polizisten mit Tränengas und Wasserwerfern gegen hunderte Menschen vor, die Elci mit einer Schweigeminute ehrten und später regierungsfeindliche Parolen riefen.

Unter anderem skandierten sie: «Ihr könnt uns nicht alle töten» und «Der Verbrecherstaat muss Rechenschaft ablegen». Weitere Gedenkkundgebungen fanden unter anderem in Ankara und Izmir statt.

Seit Juni waren prokurdische Aktivisten das Ziel mehrerer Angriffe und Anschläge. Zuletzt waren im Oktober in Ankara bei einer Friedensdemonstration 103 Menschen durch einen solchen Anschlag getötet worden.

Elci wurde im Oktober unter dem Vorwurf der «terroristischen Propaganda» für die PKK festgenommen und später gegen Auflagen auf freien Fuss. Elci hatte in einer Fernsehdiskussion gesagt, die PKK sei «keine terroristische Organisation».

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