Nach seinem oscarprämierten «La Grande Bellezza» ist Regisseur Paolo Sorrentino zurück in Cannes. Mit seinem neusten Werk «La giovinezza», das zu grossen Teilen in Graubünden spielt und in dem auch die Schweizer Schauspielerin Heidi Maria Glössner zu sehen ist.
Die Pressekonferenz ist längst vorbei. Jane Fonda und Harvey Keitel sind schon gegangen. Sir Michael Caine aber ist immer noch da. Umringt von Dutzenden Fans gibt der 82-Jährige am Mittwoch beim Filmfestival Cannes geduldig Autogramme und posiert für Fotos.
Er ist deutlich gealtert. Das Haar schütter, die Schultern leicht gebeugt, der Gang etwas unsicher. Und doch begeistert die britische Schauspiellegende die Kinogänger noch immer – dieses Mal mit einer zu Tränen rührenden Darstellung in dem Cannes-Wettbewerbsbeitrag «La giovinezza» («Youth»).
Die Vergänglichkeit – das einzig interessante Thema
Caines Schauspielkarriere begann vor mehr als 60 Jahren. Er war der Verführer, der Draufgänger, später die fürsorgliche Vaterfigur. Nun aber lässt er in «La giovinezza» das Leben Revue passieren. Fred ist gefeierter Dirigent im Ruhestand. In einem Schweizer Alpenhotel trifft er seinen langjährigen Freund, den Filmregisseur Mick (Harvey Keitel). Später kommt einer von dessen Stars (Jane Fonda) hinzu.
Ähnlich wie in seinem oscarprämierten Rom-Epos «La Grande Bellezza» lässt der italienische Regisseur Paolo Sorrentino seine Protagonisten teilweise wie im Rausch durchs Leben gleiten. Verwoben mit Tagträumen und Rückblicken auf die Vergangenheit entwirft der Italiener vor der imposanten Bergkulisse so einmal mehr ein bildgewaltiges Werk voller kleiner Impressionen und grosser Gefühle.
«Das ist das einzige Thema, das die Menschen wirklich interessiert: Zeit, die vergeht und wie viel Zeit wir noch haben», erklärte Sorrentino. Auch die 77-jährige Fonda, mit ihren hochtoupierten Haaren und grellroten Fingernägeln noch immer die Diva von einst, beschäftigte sich mit dem Altern. «Wenn du Leidenschaft in deinem Leben hast, bleibst du im Geist jung und vital.» So sei es zumindest bei ihr.
Michael Caine und seine Rollenfigur sitzen in einem Boot
Den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt bei all dem aber Caine. Er fasziniert mit seinem nuancierten Spiel, das häufig nur aus Blicken oder Gesten besteht. Wie er mit seiner Tochter (Rachel Weisz) seltene, liebevolle Momente teilt, wie er seine im Pflegeheim lebende Frau besucht, wie er mit Mick die Schönheit einer jungen Frau bestaunt.
«Für mich beschreibt genau das die Jugend», sagte der 82-jährige Caine bei der Pressekonferenz über eben diese Szene. «Wir schauen da etwas an, das wir verloren haben und nie wieder haben werden. Das ist sehr traurig.»
Auch deswegen wird man das Gefühl nicht los: Caine spielt diese Rolle nicht nur, er verarbeitet eigene, sehr persönliche Erfahrungen. Einige Minuten später nimmt er seinen hellen Hut, steht auf und geht langsam von der Bühne.