«Lady Sings The Blues»

Dee Dee Bridgewater tritt am 5. Juni mit Billie-Holiday-Songs im Burghof Lörrach auf. Sie ist nicht die einzige grosse Stimme, die sich auf diese Weise vor «Lady Day» verneigt. Eine Liste. «Lady Day», wie ihr Tenorsaxophonist Lester Young sie als erster nannte, ist nicht nur eine der grössten Sängerinnen der Jazzgeschichte, sondern zugleich eine der […]

Gefeierter Star, tragische Figur: Billie Holiday beeinflusst bis heute den Jazzgesang.

Dee Dee Bridgewater tritt am 5. Juni mit Billie-Holiday-Songs im Burghof Lörrach auf. Sie ist nicht die einzige grosse Stimme, die sich auf diese Weise vor «Lady Day» verneigt. Eine Liste.

«Lady Day», wie ihr Tenorsaxophonist Lester Young sie als erster nannte, ist nicht nur eine der grössten Sängerinnen der Jazzgeschichte, sondern zugleich eine der am meisten gecoverten: Weit über ihr ursprüngliches Genre hinaus reichen die Adaptionen von Songs aus der Feder und aus dem Repertoire von Billie Holiday. Das aktuellste Tributalbum an sie stammt von Dee Dee Bridgewater, die mit ihrem Holiday-Programm am 5. Juni im Lörracher Burghof gastiert. Aus diesem Anlass gibt es hier sieben Highlights aus der kurzen aber intensiven musikalischen Vita von Eleanora Fagan (1915-59), wie die Ausnahmevokalistin eigentlich hiess, und wie sie Bridgewater auf ihrer Hommage auch nennt.

Ungeheures Leben, ungeheure Stimme

Vergewaltigung, Prostitution, Gefängnis – das junge Leben der Billie Holiday liest sich wie eine Horror-Story. Man mag sich kaum vorstellen, was sie schon hinter sich hatte, als sie 1929 in New Yorker Clubs anfängt zu singen. 1933 entdeckt sie der Produzent John Hammond, ermöglicht ihr erste Aufnahmen mit Benny Goodman. Mit ihrem ungeheuren Improvisationstalent und ihrer wendigen, katzenartigen Stimme nimmt sie zunächst Songs in der typischen Manier der Swing-Ära auf, arbeitet u.a. mit den Orchestern von Count Basie und Artie Shaw, prägt Standards wie «All Of Me», «Embraceable You», «Lover Come Back To Me». Während der Tourneen leidet sie als Schwarze stetig unter Diskrminierung.

Ihren endgültigen Durchbruch erreicht sie an der Schwelle zu den 1940ern denn auch mit ihrem berühmten Song über die Lynchjustiz an Schwarzen, «Strange Fruit». Weitere Hits wie «God Bless The Child» oder «Lover Man» folgten, umjubelte Auftritte in der Metropolitan Opera und der Carnegie Hall. Doch der Schatten der Vergangenheit holt sie ein: Verhaftungen wegen Drogenbesitz, Alkoholsucht, Auftrittsverbote, Beziehungsprobleme. In ihrem Spätwerk auf dem Verve-Label zeichnet sich die seelische Mühsal und Melancholie zunehmend ab.

Ohne Billie Holiday wäre die Entwicklung des Jazzgesangs anders verlaufen. Gefeierter Star, zugleich aber auch tragische Figur – ihr Einfluss als Schaukasten für Authentizität ist bis heute ungebrochen, denn ihre Songs sind keine Interpretationen, sondern waren wie sie selbst sagte, immer gelebt.          

1. Billie Holiday: «Strange Fruit» (1939)

Aus der Feder des jüdisch-russischen Lehrers Abel Meeropol stammt das Gedicht, das schon vertont worden war, bevor Billie Holiday es aufgriff. Sie jedoch bettete die Verse in einen erschütterndes, improvisiertes Recital. Erzählt wird die Geschichte der Lynchmorde an Schwarzen in den Südstaaten der USA mit dem kaum erträglichen Bild der Körper, die an Bäumen aufgeknüpft wurden. Erstmals trug Holiday es im New Yorker Café Society 1939 vor, die vorliegende Aufnahme stammt aus den 1950ern. Kein anderer Song wird bis heute mit ihr so verbunden wie dieser.



2. Dee Dee Bridgewater: «Lady Sings The Blues» (2011)

Eine der grössten Jazzikonen unserer Zeit verbeugt sich vor der unsterblichen Legende mit einem ihrer bekanntesten Stücke, das sich hier in eine stürmische Modern Jazz-Nummer verwandelt. «Lady Sings The Blues» ist auch der Opener des aktuellen Bridgewater-Tribute-Albums «To Billie With Love». Unter dem gleichen Titel erschien 1956 Holidays Autobiographie, die 1972 verfilmt wurde. Die Hauptrolle bekleidete damals etwas unpassend die glamouröse Souldiva Diana Ross.

3. Aretha Franklin: «God Bless The Child» (1962)

Ihre Kolleginnen Carmen McRae und Anita O’Day haben ganze Tributalben an Billie Holiday aufgenommen, Aretha erwies ihr lediglich mit einigen wenigen Songs ihre Reverenz. Ihre Version von «God Bless The Child» ist aber umso eindrücklicher: Sie stammt aus dem Jahre 1962, als die spätere Soul-Queen – wie Holiday von John Hammond entdeckt – ihre kraftgeladene Stimme noch an Jazzstandards verschwendete. Im Text, den Billie zusammen mit dem Songwriter Arthur Herzog schrieb, rechnet sie mit ihrer Mutter ab, die als Restaurantbetreiberin permanent Geld vom aufstrebenden Jazzstar pumpen wollte: «Gott segne das Kind, das sein eigenes Geld hat.»  

4. The Communards feat. Sarah Jane Morris: «Lover Man» (1986)

Billie Holidays Songs überwinden Genre- und Gender-Grenzen: Die gewagteste der rund drei Dutzend Coverversionen ihres sinnlichen, schmachtenden und doch augenzwinkernden «Lover Man» kommt sicherlich von Jimmy Somerville und Sarah Jane Morris. Im Duett sorgen die beiden für einen grandiosen Tausch der Stimmen(-rollen).



5. Jeff Buckley: «Strange Fruit» (vor 1994)

Dieser Mann konnte alles singen: Jeff Buckley machte sich Songs von Edith Piaf, Nina Simone, Nusrat Fateh Ali Khan und Leonard Cohen mit einer schwerelosen Falsettstimme zu eigen. Nach seinem frühen Tod in Memphis im Wasser des Wolf River 1997 kursieren neben den vielen Post-Mortem-CDs auch etliche nie veröffentlichte Aufnahmen im Internet: Dazu zählt diese höchst eigenwillige akustische Version von «Strange Fruit» aus der Zeit kurz vor seinem Durchbruch. Der Originalversion steht sie an Schmerzlichkeit kaum nach.    

6. Joy Denalane: «Fine & Mellow» (2011)

1939 hat Holiday diesen Blues selbst geschrieben – und er thematisiert einmal mehr, wie ein Frau von ihrem Kerl schlecht behandelt wird. Die afro-deutsche Soulsängerin Joy Denalane beweist, dass Billie auch in der aktuellen R&B-Szene angekommen ist.

7. Billie Holiday: «My Man» (1956)

Aus der Spätphase nochmals eine bezwingende, hingebungsvolle Ballade, hinter der aller Schmerz zurücktrat: Schon gezeichnet von ihrem Verfall appellierte Lady Day hier nochmals an die heilende Kraft der Liebe, zusammen mit ihrem letzten Pianisten Mal Waldron.

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