Länger arbeiten bei Sauter und Häusler

Die Krise in der regionalen Maschinen- und Metallindustrie spitzt sich zu. Die Firmen verlangen immer mehr von ihren Arbeitern. Doch Lohnkürzungen und Arbeitszeiterhöhungen dürften nur erste Symptome eines schmerzhaften Prozesses sein.

Abwärtsspirale: Der Sog der Wirtschaftskrise hat auch die regionale Industrie erfasst. (Bild: Keystone)

Die Krise in der regionalen Maschinen- und Metallindustrie spitzt sich zu. Die Firmen verlangen immer mehr von ihren Arbeitern. Doch Lohnkürzungen und Arbeitszeiterhöhungen dürften nur erste Symptome eines schmerzhaften Prozesses sein.

Die Liste der Industriebetriebe in der Region, die in Schieflage geraten, wird immer länger. Selbst Vorzeigefirmen wie Sauter geraten unter Druck. Der Spezialist für Messtechnik mit weltweit immerhin 2000 Mitarbeitern hat laut Informationen der TagesWoche auf den Krisenartikel im Gesamtarbeitsvertrag zurückgegriffen. Bei Sauter muss jeder Angestellte zwei Stunden länger pro Woche arbeiten. Die auf 12 Monate befristete Massnahme begründet das stark exportorientierte Unternehmen mit der anhaltenden Schwäche des Euros.

Auch Häusler in Duggingen lässt seine Mitarbeiter länger arbeiten. Häusler stellt Maschinen für die Metallverarbeitung her und beschäftigt 250 Angestellte. Die müssen neu 42,5 statt 40 Stunden ran. Die Massnahme ist auf zwei Jahre befristet oder solange, bis der Euro länger als einen Monat 1,35 Franken kostet. Die Begründung lautet auch hier: ungünstiges Wechselkursverhältnis. Ob das wirklich gerechtfertig ist, bleibt unklar. Die Gewerkschaften beklagen mangelnde Transparenz.

Kurzarbeit wieder gefragt

Doch diese Massnahme hat ihre Kehrseite. Läuft die Maschine auf Hochtouren, ist der Tank schneller leer. Jetzt werden die Aufträge abgearbeitet, die später fehlen. Der Industrieverband Swissmem hat in den letzten zwei Wochen festgestellt, dass die Nachfrage nach Kurzarbeit stark gestiegen ist.

Sprecher Ivo Zimmermann geht von einer weiteren Verschärfung der Lage aus: «Noch sind viele Unternehmen sehr zurückhaltend mit Sparmassnahmen. Wenn sich der Euro und die Konjunktur nicht erholen, wird sich die Lage weiter anspannen. Dann werden wir es nicht mehr mit Arbeitszeiterhöhungen zu tun haben, sondern mit Entlassungen und Werkschliessungen.» Laut Swissmem sind bereits ein Drittel aller Betriebe, die dem Verband angehören, in die Verlustzone gerutscht. Regionale Zahlen gibt Swissmem nicht heraus.

Doch dass die Firmen hier weniger robust sind, hat ein anderer Branchenverband festgestellt. Laut Swissmechanic verloren schon 2009 nirgendwo so viele Arbeiter ihre Stelle wie in der Nordwestschweiz: minus sechs Prozent in einem Jahr.

Grenzgänger ziehen vor Gericht

Reagiert haben die Firmen auch, indem sie den Grenzgängern den Lohn kürzten. Bekannt sind sechs Firmen, mehr als irgendwo sonst in der Schweiz. Den Weg geebnet hat Arbeitgeber-Präsident Marc Jaquet. Im Interview mit der TagesWoche verteidigte er das Vorgehen erneut. Das Aluminiumwerk in Laufen hat zum gleichen Mittel gegriffen. Genauso der Blechbearbeiter Hakama, die Lausner Ronda und der Fördertechnikspezialist Stöcklin in Dornach. Dort lösten die Massnahmen heftige Reaktionen aus. Noch immer sind Klagen von Stöcklin-Angestellten hängig. Ein Entscheid wird demnächst erwartet.

Serge Gnos, Co-Leiter der Gewerkschaft Unia Nordwestschweiz, erhofft sich viel von einem aus seiner Sicht positiven Urteil. «Die Lohnreduktion bei den Grenzgängern ist illegal. Sie ist diskriminierend und torpediert die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit.» Anders beurteilt das der Verband Swissmem, der die Lohnkoppelung an den Eurokurs auf Anfrage der Firmen geprüft und durchgewunken hat.

Andere könnten nachziehen

Gnos befürchtet eine Signalwirkung auf andere Branchen. «Warum soll der Elektriker seinen Elsässern nicht weniger bezahlen?» Noch hielten sich die Elektriker an den geltenden Gesamtarbeitsvertrag, aber das Beispiel könnte Schule machen.

Doch könnten Lohnkürzungen zur Randnotiz werden, wenn die Krise in der Metall- und Maschinenindustrie weiter so rasch um sich greift. Die Spirale dreht sich immer schneller. Firmen werden rausgeschleudert, die sich eigentlich auf gutem Weg wähnten.

Rohrbogen AG vor dem Verschwinden

Schlechte Nachrichten kommen aus Pratteln, wo die Firma Rohrbogen, ein Familienbetrieb mit 75-jähriger Geschichte, vor dem Aus steht. Geschäftsführer Joey Schaffner hat Konsultationsgespräche mit den Sozialpartnern eingeleitet. 115 Arbeitsplätze sind gefährdet, 85 am Standort Pratteln, die übrigen in Polen. «Die liquiden Mittel sind fast aufgebraucht», sagt Schaffner. Die stark auf Export in den EU-Raum ausgerichtete Firma habe sich zwar durch eine Restrukturierung nach den Verlustjahren 2009 und 2010 stabilisiert. «Doch jetzt bricht die Nachfrage weg. In Italien ein Drittel weniger, dasselbe in Frankreich. Und nun erreichen uns auch aus Deutschland schlechte Signale.»

Rohrbogen sucht jetzt einen Partner, der Produktionskapazitäten gebrauchen kann. Kein einfaches Unterfangen. «Wer will schon in der Rezession investieren?», fragt sich auch Schaffner. Die Zeit der Rohrbogen AG scheint abgelaufen: «Wir produzieren kein Hightech-Produkt, aus China drängt billige Konkurrenz auf den Markt.» Schaffner will notfalls den Betrieb schliessen, solange genügend Geld für einen anständigen Sozialplan da sei. Das geordnete Verschwinden als letztes Ziel –­ ein Szenario, das in der Region Schule machen könnte.

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