Holcim und Lafarge wollen zum grössten Zementhersteller der Welt fusionieren. Angepeilt werden Kostensynergien von bis zu 1,7 Mrd. Franken. Der Hauptsitz von LafargeHolcim soll in der Schweiz sein, was in Frankreich Ängste weckt.
Vor den Medien in Paris versicherte Lafarge-Chef Bruno Lafont, LafargeHolcim werde Frankreich nicht verlassen. Lafarge habe unter anderem mehrere «Zentralen in Frankreich». Lafont verwies auch darauf, dass das Forschungszentrum des fusionierten Konzerns in Lyon sei. Zudem blieben die Aktien neben Zürich auch an der Börse in Paris kotiert.
Allerdings wird der neue Zementriese seinen Sitz im sankt-gallischen Jona haben, wo Holcim ansässig ist, wie der scheidende Holcim-Verwaltungsratspräsident Rolf Soiron sagte. Die Wahl des Sitzes habe «historische Gründe».
Aus dem Kanton St. Gallen stammt die Familie Schmidheiny, die den heutigen Holcim-Konzern über ein Jahrhundert hinweg gross gemacht hat. Thomas Schmidheiny ist nach wie vor grösster Einzelaktionär des Holcim-Konzerns. Auch im fusionierten Konzern soll Schmidheiny grösster Aktionär werden. Die Familie Schmidheiny war in der Vergangheit immer wieder mit Vorwürfen wegen ihrem Umgang mit Asbestopfern und Unrechtsregimes in der Kritik gestanden.
Standorte bleiben
In Paris versicherte Holcim-Verwaltungsratspräsident Soiron, ein Umzug des Sitzes ins steuerlich günstigere Zug oder in den Kanton Schwyz stehe nicht auf der Tagesordnung.
Auch an den übrigen Standorten in der Welt halten die Verantwortlichen fest, ohne aber Stellenstreichungen auszuschliessen. 10 bis 15 Prozent des Geschäfts sollen abgestossen werden, um Mehrspurigkeiten zu verhindern und um regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, wie es hiess.
Wettbewerbskommission hat keine Einwände
«Wir fusionieren nicht, um die Gruppe tiefgreifend zu restrukturieren», sagte Lafont. Holcim und Lafarge hätten bereits in der Vergangenheit ihre Unternehmensteile fit getrimmt. Das schliesse jedoch nicht aus, dass der neue Konzern seine Strukturen laufend überprüfen werde.
Die Gespräche mit den europäischen Wettbewerbsbehörden würden unverzüglich aufgenommen. Die EU-Wettbewerbsbehörde wollte sich noch nicht dazu äussern, ob sie kartellrechtliche Bedenken habe. Kein Thema ist die Fusion für die Schweizer Wettbewerbskommission (Weko). Da Lafarge in der Schweiz einen Jahresumsatz von weniger als 100 Millionen Fr. erziele, sei der Zusammenschluss nicht meldepflichtig.
Laut Holcim und Lafarge sind die Geschäfte in vielen Ländern komplementär. So sei Lafarge stark in Afrika verankert, Holcim in Lateinamerika.
Grösster Zusammenschluss seit Glencore und Xstrata
Dennoch soll die Fusion Synergien in Milliardenhöhe freisetzen: Über drei Jahre sollen bis zu 1,7 Milliarden Franken drinliegen. Soiron und Lafont erwähnten operative Optimierungen, günstigere Einkäufe auf den Beschaffungsmärkten, Innovationen sowie eine bessere Bewirtschaftung des betriebsnotwendigen Kapitals.
Stimmen die Wettbewerbsbehörden zu, geht bis Mitte 2015 der grösste europäischen Firmenzusammenschluss seit der Verschmelzung der Rohstofffirmen Glencore und Xstrata letztes Jahr über die Bühne.
Zustimmung der Grossaktionäre
Die Hauptaktionäre der beiden Unternehmen und beide Verwaltungsratsgremien seien mit dem Vorhaben einverstanden, hiess es weiter. Die grössten Aktionäre bei Holcim sind Thomas Schmidheiny mit rund 20 Prozent und Filaret Galchew (Eurocement) mit rund 11 Prozent, bei Lafarge sind es die belgische Industriegruppe GBL mit rund 21 Prozent und die NNS Holding mit rund 14 Prozent.
Für die Fusion will Holcim einen öffentlichen Aktientausch anbieten: Pro Lafarge-Aktie bietet Holcim eine eigene Aktie an. Bei der Besetzung der Chefpositionen des künftig als LafargeHolcim auftretenden Konzerns sollen beide bisherigen Gruppen berücksichtigt werden.
Holcim-Verwaltungsrat Wolfgang Reitzle ist als Präsident vorgesehen, der bisherige Lafarge-Lenker Lafont als Konzernchef. In den neuen Verwaltungsrat sollen je sieben Vertreter von Holcim und Lafarge eintreten.