Eine schwach besuchte Glarner Landsgemeinde hat auf dem Zaunplatz in Glarus acht Sachgeschäfte in rekordverdächtigen zweieinhalb Stunden behandelt. Highlight in der kurzen Traktandenliste war die Verlängerung des Vaterschaftsurlaubes für Kantonsangestellte.
Die Verlängerung des Vaterschaftsurlaubes von heute zwei auf fünf Tage wurde im Rahmen einer Revision des Personalgesetzes beschlossen. Die Entscheidung fiel am Sonntag äusserst knapp aus. Der frischgewählte Landammann Rolf Widmer musste die Stimmberechtigten drei Mal abstimmen lassen und auch die weiteren Mitglieder der Regierung beiziehen, bis das Resultat eindeutig festgestellt werden konnte.
Gegner monierten, eine Verlängerung des Vaterschaftsurlaubes würde ein falsches Signal an die Privatwirtschaft senden, die sich zur Zeit längere Vaterschaftsurlaube nicht leisten könne. Befürworter sprachen von einer zeitgemässen Anpassung und einem echten Bedürfnis junger Familien. Glarus solle sich als fortschrittlicher Kanton zeigen.
Informatik-Vorlage zurückgewiesen
Das einzige Geschäft, das trotz permanentem Nieselregen für eine längere Diskussion sorgte, war die Zusammenlegung der Informatikdienste des Kantons und der Informatik-Firma der Gemeinden. Der Wunsch nach der Zusammenlegung stammte von den Gemeinden und wurde vom Kanton positiv aufgenommen. Ziel der Zusammenlegung war die Vereinfachung der Verwaltungs-IT durch eine gemeinsame Lösung, Effizienzgewinne, Kosteneinsparungen und eine Steigerung der Servicequalität.
Regierung und Parlament stellten sich hinter die Vorlage. Die Landsgemeinde erteilte ihr nach einer halbstündigen, engagierten Debatte eine klare Absage und wies die Vorlage an den Landrat, das Parlament, zurück. Die Gegner hatten erfolgreich von einer untauglichen Hau-Ruck-Lösung mit unklaren finanziellen Auswirkungen gesprochen.
Im weiteren bewilligten die regenschirmbewehrten Glarnerinnen und Glarner einen Kantonsbeitrag von 50 Prozent und maximal 1,92 Millionen Franken an die Sanierung des Kunsthauses Glarus. Das Geschäft selber war unumstritten. Kurz diskutiert wurde nur über die maximale Beitragshöhe. Ein Gegenvorschlag wollte den Beitrag erfolglos auf 1,6 Million beschränken.
Landammann ruft auf zu Mut für Veränderungen
Eröffnet worden war die 629. Landsgemeinde vom scheidenden Landammann Robert Marti. In seiner schon siebten Landsgemeinderede rief Marti die Stimmberechtigten im Ring, einer flachen Holzarena, auf, trotz aller Verunsicherung angesichts gesellschaftlicher und technologischer Umwälzungen für Neues offen zu bleiben.
Entwicklungen liessen sich nicht aufhalten, sagte Marti. Zweifellos würden auch die Glarnerinnen und Glarner sich auf neue Technologien und auf neue Mitmenschen – Flüchtlinge – einlassen müssen. «Wenn wir Neues mit Mut, Offenheit und weniger Berührungsängsten annehmen, wird sich dieses sogar eher früher als später als Gewinn erweisen», sagte der Regierungsrat.
Nach Martis Rede wurde Finanzdirektor Rolf Widmer (CVP) mit grossem Mehr zum neuen Landammann gewählt. Widmer sitzt zwar schon seit 2004 in der Regierung, tritt nun aber seine erste Amtszeit als Regierungschef an. 2010 hatte er es aus familiären Gründen abgelehnt, zur Wahl anzutreten.
Die Landsgemeinde, eine Mischung aus Volksabstimmung und Parlament, stösst auch ausserhalb des Glarnerlandes als Ausdruck für die gelebte direkte Demokratie immer wieder auf grosses Interesse. Dieses Jahr beobachtete Bundespräsident Johann Schneider-Ammann auf Einladung der Glarner Regierung das politische Geschehen im Ring aus nächster Nähe. Unter den Gästen weilten zudem die siebenköpfige Regierung des Kantons Freiburg und Mitglieder der Ratsleitung des Solothurner Kantonsparlamentes.