An der alpinen Ski-WM in St. Moritz ist angerichtet für einen aus Schweizer Sicht perfekten Auftakt. Lara Gut gilt im Super-G trotz ihrem Sturz in Cortina als erste Titelanwärterin.
Der Rummel im viel zu kleinen Saal war immens, Journalisten aus dem In- und Ausland standen sich auf den Füssen herum. Es ging hektisch zu und her am Sonntagnachmittag im Schweizer WM-Quartier im Fünf-Sterne-Hotel Kempinski in St. Moritz.
Lara Gut nahm das Menschengewühl gelassen, lächelte in die Runde und in die unzähligen Fotoapparate, Video- und Fernsehkameras und gab geduldig Auskunft. Der Auftritt machte deutlich: Die Welt der Tessinerin ist wieder in Ordnung – eine gute Woche nach dem Sturz im Weltcup-Super-G in Cortina.
«Ich hatte einen Schutzengel»
Die Nachwehen des Sturzes sind soweit abgeklungen. Die blauen Flecken seien zwar noch da. Und der Oberschenkel schmerze noch, was sie nach eigener Einschätzung beim Skifahren aber nicht behindern soll. «Es geht mir gut. Ich bin wieder in der Lage, auf der Piste hundert Prozent zu geben. Das ist nicht selbstverständlich. Ich hatte einen Schutzengel, denn ich hätte auch im Spital landen können.»
Am Sonntagmorgen stemmte Lara Gut im Kraftraum wieder Gewichte, am Montag stand sie zum ersten Mal wieder auf Ski seit ihrem Malheur, bei dem sie schmerzhafte Prellungen am rechten Oberarm und am rechten Oberschenkel erlitten hatte. Sie sprach von der ungewohnten Situation, sich während Stunden mit Physiotherapie beschäftigen zu müssen oder sich von Mutter Gabriella das geschundene Bein massieren zu lassen, statt sich auf Schnee den letzten Schliff für die WM holen zu können.
Mühe mit Stehen und Sitzen
Stehen und Sitzen bereiten Lara Gut noch Mühe, ebenso macht ihr die Kälte zu schaffen. Deshalb wies sie schon einmal darauf hin, dass ihre Präsenzzeit im Zielraum nach Trainings und Rennen geringer sein wird als üblich. «Ich hoffe, Sie haben Verständnis für meine Situation», sagte sie in Richtung Medienvertreter.
Am Dienstag könnte sich Lara Guts Anwesenheit im Zielgelände auf Salastrains allerdings etwas in die Länge ziehen, sollte sie den Erwartungen gerecht werden. Sie weiss, dass mit dem Super-G ein wegweisendes Rennen im Programm steht – für sie selber und möglicherweise auch für die gesamte Schweizer Equipe. Ein erfolgreiches Abschneiden könnte für die weiteren Aufgaben befreiende Wirkung haben und zusätzliches Selbstvertrauen freisetzen.
Der Umgang mit der Favoritenlast
Lara Gut weiss um ihre Favoritenrolle und um ihre Chance, zum ersten Mal Weltmeisterin zu werden. Wer drei der vier Super-G im Weltcup gewinnt und im vierten bis zum Ausscheiden klar die Schnellste war, der hat diese Last zu tragen. Lara Gut ist bereit dafür.
Von Druck mag Lara Gut trotzdem nicht reden. Schon gar nicht habe sie etwas zu verlieren und müsse sie eine Ski-Nation retten. «Ich bin für die Schweiz nicht allein am Start. Da gibt es noch andere, Wendy (Holdener) zum Beispiel, oder unsere Jungs in den Speed-Rennen.»
Neben Gut drei WM-Neulinge
Zum Schweizer Quartett im Super-G gehören auch Corinne Suter, Joana Hählen und Jasmine Flury. Alle drei nehmen zum ersten Mal an einer WM teil. Corinne Suter war überzeugend in den Winter gestartet, vermochte das hohe Niveau danach aber nicht zu halten. Bei ihr habe sich Verunsicherung breit gemacht, ausserdem habe sie in den Rennen zuviel gewollt, begründete die Schwyzerin ihren Leistungsabfall. Mittlerweile sei das gute Gefühl wieder da, und ihr Abschneiden am letztjährigen Weltcup-Finale in St. Moritz mit zwei Top-Ten-Plätzen zeige ihr, wie viel möglich wäre, wenn alles zusammenpasst.
Joana Hählen verdiente sich das Startrecht mit ihrer ersten Klassierung in den ersten zehn im Weltcup, Rang 8 im Super-G Mitte Dezember in Val d’Isère. Ähnliches gilt für Jasmine Flury. Die Bündnerin lieferte sowohl in der Abfahrt als auch im Super-G persönliche Bestergebnisse ab.