Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagt eine weitreichende Diskriminierung von Muslimen in Europa. Kopftuch, Bärte, Minarette – öffentlich sichtbare Bekenntnisse von Muslimen zu ihrer Religion seien in Europa oft nicht gern gesehen.
Muslime sähen sich in Europa täglich Stereotypen und Vorurteilen ausgesetzt und würden an vielen Orten stark in ihren Menschenrechten eingeschränkt, mahnt Amnesty. Wie die Organisation in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht aufzeigt, reichen die Benachteiligungen vom Bildungssystem bis hinein in das Arbeitsleben.
So sei es für muslimische Mädchen und Frauen häufig schwieriger, einen Job zu finden, wenn sie ein Kopftuch tragen. Männer mit Bart berichteten ebenfalls von Nachteilen.
Arbeiten in Uniform
Der Grossverteiler Migros habe beispielsweise 2004 ein Kopftuch-Verbot erwogen, sich dann aber gegen ein solches entschieden, so Amnesty. Nun werde von Fall zu Fall entschieden.
Tatsächlich müssten Mitarbeitende mit Kundenkontakt allerdings in Uniform arbeiten, erklärt Amnesty weiter, was das Tragen von religiösen Symbolen verunmögliche. Coop verfolge bei den Uniformen eine ähnliche Politik.
„Muslime werden dafür verantwortlich gemacht, was im Nahen Osten und in Nordafrika passiert“, erzählt etwa ein Muslim, der in der Schweiz lebt. Deshalb seien sie häufig direkten Anschuldigungen auf der Strasse, aber auch versteckter Diskriminierung ausgesetzt.
Der Bericht konzentriert sich auf Belgien, Frankreich, die Niederlande, Spanien und die Schweiz. Er wirft den Regierungen vor, die Diskriminierung zum Teil durch gesetzliche Bestimmungen mitzuverursachen.
Aufruf an die Regierungen
Amnesty appelliert denn auch an die Regierungen, keine gesetzlichen Restriktionen wie etwa ein Kopftuch-Verbot auszusprechen. Jedem müsse es möglich sein, seine Religion frei auszuleben. „Religiöse und kulturelle Symbole zu tragen gehört zum Recht des Menschen auf freie Meinungsäusserung“, sagt Marco Perolini, der bei Amnesty für Fragen der Diskriminierung zuständig ist.
„In vielen Ländern Europas ist die Ansicht weit verbreitet, dass der Islam akzeptabel ist, solange Muslime nicht allzu sichtbar sind“, beklagte Perolini. Die Politik sei in der Pflicht, solchen Einstellungen entgegenzutreten.
Beim Bau von Minaretten – also Moschee-Türmen zum Ausrufen der Gebetsstunden – habe vor allem die Schweiz seit 2010 strenge Regulierungen. Damit schüre sie anti-islamische Stereotype und stelle sich gegen internationale Verpflichtungen. Im spanischen Katalonien gebe es ähnliche Probleme.
Ein Problem sieht Amnesty darin, dass die Schweiz über kein generelles Gesetz gegen Diskriminierung verfüge. Im März war der damalige Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, in seinem Bericht zu einem ähnlichen Schluss gekommen. Er regte darin die Schaffung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes an.