Liberale Reformen haben heutzutage aus Sicht des abtretenden Direktors der Denkfabrik Avenir Suisse keinen einfachen Stand. Die Wirtschaftskrise und die Debatte über Spitzensaläre habe dem Ansehen marktorientierter Lösungen stark geschadet, findet Gerhard Schwarz.
Es herrsche eine starke Tendenz, wirtschaftliche Probleme als Folge von zu viel Markt und Liberalisierung zu sehen, sagte Schwarz in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Samstag. Bei Wirtschaftsführern sei zwar das Bewusstsein gewachsen, dass Lohnexzesse oft zu regulatorischen und antiliberalen Reflexen führten.
Schon zu Beginn der Lohndebatte hätten ihm einzelne Wirtschaftsführer gesagt, sie seien über die Lohnentwicklungen im Top-Management nicht glücklich, so Schwarz. «Aber es ist fast unmöglich, nicht mitzumachen.» Man finde kaum einen geeigneten CEO für 500’000 Franken, wenn die Konkurrenz 5 Millionen zahle.
«Wir leben in einer globalisierten Wirtschaft.» Löhne globaler Konzerne, auch wenn sie in der Schweiz ansässig seien, könnten nicht am Lohn eines Regierungsrats im Kanton Baselland festgemacht werden. «Das sind zwei Welten, die aufeinanderstossen – und das schafft Probleme.»
Keine Lobby-Organisation
Gerhard Schwarz hat per Anfang April das Direktorium der Denkfabrik nach fast sechs Jahren an Peter Grünenfelder abgegeben. Die Frage, ob es Avenir Suisse während der «Ära Schwarz» gelungen sei, Einfluss auf die wirtschaftspolitische Entscheidungsfindung zu nehmen, beantwortet Schwarz positiv.
Die Resonanz sei über die vergangenen Jahre gestiegen, ist er überzeugt. Wenn etwa Bundesrat Johann Schneider-Ammann in einem Interview wohlwollend über die Idee einer unabhängigen Prüfstelle für Regulierungen spreche, habe dies fast sicher auch mit dem Papier von Avenir Suisse zum Thema zu tun. «Oft fliessen Ideen von uns in politische Vorstösse ein, ohne das wir namentlich erwähnt werden.»