Die Verteidiger des Mannes, der im Mai 2013 in der Waadt Marie umbrachte, haben am Donnerstag vor Kantonsgericht eine Aufhebung der lebenslänglichen Verwahrung gefordert. Die Anklage hielt an der Höchststrafe fest.
Im Grossen Saal des Waadtländer Kantonsgerichts in Lausanne wurden zwei verschiedene Ansichten des erstinstanzlichen Urteils vom März vorgetragen. Die Verteidigung kritisierte die lebenslängliche Freiheitsstrafe und die lebenslängliche Verwahrung scharf.
«Das Regionalgericht hat mit dem Urteil dem Druck der Öffentlichkeit nachgegeben», rief der Verteidiger Loïc Parein in den Saal. Er sprach deshalb von einem populistischen Schuldspruch. Ganz anders der Waadtländer Generalstaatsanwalt Eric Cottier.
Er wies die Vorwürfe der Verteidigung in aller Schärfe zurück und bezeichnete den Vorwurf des Populismus als inakzeptablen Druckversuch ans Kantonsgericht, nicht das gleiche Urteil zu fällen. Lebhaft diskutiert wurde in den Plädoyers die Frage der lebenslänglichen Verwahrung.
Streit um Gutachten
Verteidiger Parein betonte, dass die beiden psychiatrischen Gutachter nicht zum gleichen Schluss gekommen seien. Während ein Gutachter den Angeklagten als dauerhaft nicht zugänglich für eine Therapie einschätzte, lehnte es der zweite Gutachter ab, eine Prognose bis ans Lebensende zu stellen.
Obwohl das schweizerische Strafrecht vorschreibt, dass für diese strengste Massnahme im Sinne der Verwahrungsinitiative zwei Gutachter den Angeklagten als dauerhaft nicht therapierbar einstufen müssen, verurteilte das erstinstanzliche Gericht den Angeklagten zur lebenslänglichen Verwahrung.
Generalstaatsanwalt Cottier hielt entgegen, dass die Voraussetzungen für die lebenslängliche Verwahrung erfüllt gewesen seien. Die Schlüsse der beiden Gutachter seien nicht vollkommen identisch, aber in der wesentlichen Frage der Therapierbarkeit übereinstimmend. Das Strafrecht verlange, dass die beiden Gutachten unabhängig seien – das sei so gewollt und in diesem Fall eingehalten.
Anklage hält an Höchststrafe fest
Die Verteidigung verlangte eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung anstatt wegen Mordes sowie die Aufhebung der lebenslänglichen Verwahrung. Der Staatsanwalt sowie der Anwalt der Familie forderten erneut die Höchststrafe für den Wiederholungstäter.
Zu Beginn der Berufungsverhandlung hatte der Angeklagte selbst in langen Erklärungen bestritten, die Tat vorsätzlich begangen und geplant zu haben. Er habe in der fraglichen Woche geplant gehabt, seine Mutter im Spital zu besuchen.
Er gehe doch nicht in den Golfclub in Payerne, töte Marie, gehe nach Hause, esse eine Pizza und besuche seine Mutter am Folgetag, als ob nichts gewesen wäre, gab er vor Gericht zu Protokoll.
«Erbarmungsloses Verbrechen»
Der Vater und die Mutter des Opfers gaben vor der Mittagspause in einer kurzen Erklärung Einblick in das Leiden, das sie während der Verhandlung ertragen mussten. Es sei «ein Prozess zu viel», sagte Maries Mutter am Donnerstag.
Das Urteil des ersten Prozesses mit der lebenslänglichen Verwahrung sei sehr wohl «angemessen» gewesen. Der Vater der getöteten Frau, ein Waadtländer Pfarrer, bedauerte die «erbärmlichen Versuche des Angeklagten, dieses erbarmungslose Verbrechen zu relativieren.»
Urteil am Freitag
Das Kantonsgericht hatte zum Prozessbeginn über mehrere Anträge der Verteidigung zu entscheiden. Alle wurden abgelehnt, auch die Forderung, den aktuellen Therapeuten des Angeklagten als Zeugen vorzuladen.
Der Angeklagte war im März erstinstanzlich wegen Mordes, sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung und Entführung sowie wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln schuldig gesprochen worden. Ob das Kantonsgericht dieses Urteil bestätigt, wird es am Freitag bekannt geben.
Der heute 40-jährige Schweizer hatte am 13. Mai 2013 die 19-jährige Marie entführt und in der Nacht auf den 14. Mai in einem Wald bei Châtonnaye FR erdrosselt. Der Täter hatte bereits 1998 seine damalige Ex-Freundin entführt, vergewaltigt und umgebracht.