Lehre abgebrochen? Oft sind Lehrmeister und Berufsschule mitschuldig

Lehrmeister und Berufsschule sind mitverantwortlich, dass bis zu einem Viertel der Lehrverträge aufgelöst werden. Gemäss dem Eidg. Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) kriegen aber die meisten Abbrecher früher oder später die Kurve. Der Begriff Lehrabbruch sei deshalb irreführend.

Vielleicht nicht jedermanns Sache: Lernende im ersten Jahr am Landwirtschaftlichen Zentrum Ebenrain in Sissach (BL) bestimmen Grassorten. (Archiv)

(Bild: sda)

Lehrmeister und Berufsschule sind mitverantwortlich, dass bis zu einem Viertel der Lehrverträge aufgelöst werden. Gemäss dem Eidg. Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) kriegen aber die meisten Abbrecher früher oder später die Kurve. Der Begriff Lehrabbruch sei deshalb irreführend.

Viele, die ihren Lehrvertrag auflösen, brechen ihre Lehre nicht ab, sondern sie setzen diesen «nahtlos» in einem anderen Betrieb fort, wie die Autoren des Trendberichts des Eidg. Hochschulinstituts für Berufsbildung (EHB) schreiben. Dieser wurde am Freitag in Bern vorgestellt.

Andere Lernende wechseln das Ausbildungsniveau. Fünf bis 15 Prozent weitere ergreifen einen anderen Beruf. Der Bericht des EHB fasst verschiedene Untersuchungen zusammen. In den Studien setzten zwischen 50 und 77 Prozent der Lernenden ihre Ausbildung innerhalb von zwei bis drei Jahren fort.

 

Abbrecher-Quote um 10 Prozent

Allen gleich ist die Feststellung, dass je schneller ein Jugendlicher oder eine Jugendliche die Ausbildung fortsetzte, desto besser waren die Erfolgschancen. Die Jugendlichen erleben den Wiedereinstieg «oft als eine positive Korrektur der früheren Ausbildungsentscheidung».

Die Quote der tatsächlichen Abbrecher wird auf zehn Prozent geschätzt. Die Bildungsexperten machen zwei Vorschläge, wie man diese senken könnte.

Zunächst sollen Jugendliche mit Lernschwierigkeiten in der Berufsschule früher identifiziert werden, um ihnen besser unter die Arme zu greifen. Vor allem aber sollen Jugendliche mit einen «erhöhten Auflösungsrisiko» von Anfang gezielt unterstützt werden. Zürich, Zug, Aargau oder die Waadt kennen solche Projekte schon.

Betriebe in der Pflicht

Vor allem kleinere Betriebe müssen die Qualität ihrer Ausbildung steigern, denn einige davon tragen ihren Teil dazu bei, jungen Berufseinsteigern den Einstieg zu erschweren. Dies jedenfalls legt die Trendstudie nahe.

Jugendlich nennen als Auslöser für Lehrvertragsauflösungen oft schlechte Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, wie die Autoren schreiben. Ferner weisen Betriebe mit hoher Ausbildungsqualität weniger Vertragsauflösungen auf. Es gebe auch Hinweise, dass Lehrvertriebsverbünde, in denen die Lernenden zwischen verschiedenen Betrieben rotieren, das Vertragslösungsrisiko senken.

» Der Trendbericht zum Herunterladen (PDF)

» Artikel der EHB: Lehrvertragsauflösungen – Immer belastend, meist befreiend (PDF)

Studien aus Deutschland zeigen überdies, «dass die Wahrscheinlichkeit von Vertragsauflösungen in Grossbetrieben, im öffentlichen Dienst und in kostenintensiven Ausbildungsgängen deutlich niedriger ist als in Kleinbetrieben, in der Privatwirtschaft und in weniger kostenintensiven Ausbildungen».

Fazit: Firmen, bei denen Lernenden öfters ihre Verträge auflösen, müssen bei sich selbst ansetzen, bevor sie dem faulen oder schlecht motivierten Lehrling die Schuld in die Schuhe schieben. Es ist auch der Lehrmeister, der es in der Hand hat, ob der Lehrling mit Freude oder schon frustriert jeden Tag zur Arbeit erscheint – oder eines Tages nicht mehr.

Eine Empfehlung haben die Experten des EHB noch: Die Betriebe sollten die Lernenden so auswählen, dass beide von Anfang an besser zusammen passen.

Hoher Preis

Klappt es nicht, sinkt bei manchem Betrieb die Ausbildungsbereitschaft, stellt die EHB fest. Dies obwohl eine Lehrvertragsauflösung beim Betrieb selbst kaum Kosten verursacht: Im Schnitt kostet es nur 1000 Franken, weil die Lernenden «rasch auch für produktive Arbeit eingesetzt werden».

Wer die Kurve nicht kriegt, bezahlt persönlich einen hohen Preis. Seine «Chancen», ein Leben lang in schlecht bezahlten Jobs zu arbeiten, sind gross. Eine Studie hat dessen «Lohnausfall» im Berufsleben auf 300’000 Franken errechnet. Auch ein Abstieg in die Sozialhilfe droht. Dem Staat entgehen Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von rund 150’000 Franken pro Person.

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