In Locarno gibt es Blocher in Grossformat. Kann eine Leinwand bei so viel Blocher aufrecht stehen bleiben? Noch wird der Film geheim gehalten. Am 13.8. erfahren die Piazza-Grande-Gängerinnen als erste, was wir vom Pfarrerssohn noch nicht wussten.
Wenn einer der begabtesten Dokumentar-Filmer («Cleveland Versus Wall Street») der Schweiz seine Zeit an bedeutende Menschen verschwendet, dürfen wir beruhigt sein. Vielleicht berichtet er ja über ein intellektuelles Schwergewicht (Hans Küng), oder einen Spitzen-Forscher (Kurt Wüthrich, Nobelpreisträger der Chemie), oder eine streitbare Künstlerin wie Pippilotti Rist – wir würden uns fast schon über unsere eigenen hohen Erwartungen langweilen.
Was aber, wenn dieser Bron den trotzigen Christoph Blocher als Kind einfangen will, und dem in die Jahre gekommenen dann ein Jahr lang mit der Kamera folgt, um ihn vor unseren Augen und Ohren auf ein sehr, sehr grosses Leinwandbildformat zu einem veritablen Chrisophorus vergrössert? Da sind wir sogar auf die Erwartungen gespannt.
Satire versus Wirklichkeit?
Bron hat schon in «Mais im Bundeshuus» bewiesen, dass er gekonnt mit einem eisernen Gesetz der Satire arbeiten kann: Die Wirklichkeit kann entlarvender als jede Satire sein. Dass Bron für den Film über Blocher Förderung vom Bund nun (250 000.-) erhielt, hat Blocher nicht ins Grübeln gebracht, obwohl er besonder bei kritischen Zeitungen gerne vermutet «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing». So stellte er das Bundesamt für Kultur auch schon unter den Verdacht, es sei «links». («Es gibt für mich wohl keine andere Institution, die sich selbst so blöd hinstellt, wie das Pro Helvetia tut», wetterte damals auch Ueli Maurer mit).
«L’EXPÉRIENCE BLOCHER» ist ein Dokumentarfilm, und jetzt stehen wir vor dessen Première: Werden jetzt endlich Grossaufnahmen enthüllen, wie der Jurist Blocher die Übernahme der SBG durch den Bankverein eingefädelt hat, nachdem man ihn aus dem Verwaltungsrat ausgeschlossen hat? Wird das Filmteam hautnahbei dabei sein, wenn Blocher mit Martin Ebner die Lonza und Alusisse verscherbelt und einen unversteuerten Raider-Gewinn einstreicht? Gibt ein von der NSA abgehörtes Telefongespräch wörtlich wieder, was Moritz Suter Blocher gesagt hat, als der Millionär dem Milliardär die BaZ-Bettler hingeschmissen hat? Können unsere Erwartungen überhaupt gösser sein?
Lieber nicht hinschauen
Bereits werden Stimmen laut, die da lieber nicht hinschauen wollen. SP-Nationalrätin Leutenegger hat verlauten lassen(Tages-Anzeiger vom 6.8.) , sie werde sich den Film nicht anschauen. In der Tat kann sie ihre Lebenszeit mit Klügeren teilen: So zum Beispiel mit dem französischen Politik-Wissenschafter de Toqueville (1805-1859), der über grosse Männer sagt: «Was wir zu fürchten haben, ist nicht die Unmoral der großen Männer, sondern die Tatsache, daß Unmoral oft zu Größe führt». Oder «Die Meinung, daß unmoralische Menschen außerordentliche Hilfsquellen in ihrem Verstand besitzen, ist ein großer Irrtum. Durch Leidenschaft entstandene Fehler deuten ziemlich oft ausgezeichnete Fähigkeiten an; aber die Verdorbenheit und die Intrige gehören einer Art Mittelmäßigkeit an, die nur an sich selbst zu denken erlaubt.»
Strenge Geheimhaltung vor der Première
Am 13. 8. ist die Première von «L’EXPÉRIENCE BLOCHER» auf der Piazza Grande in Locarno. Das verspricht Hauptsendezeit. Anschauen will ihn keiner, aber mitreden werden dann doch alle wollen. Wofür soll man dann den Film tadeln? Dass er schonungslos alles aufdeckt? Oder sich gar nicht bemüht etwas aufzudecken, sondern eine Muster-Kindheit in der Schweiz protokolliert? Oder dafür, dass er so raffiniert wenig aufdeckt, dass wir mit unserer Sensationslust ins Leere laufen? Man wird den Film vielleicht für die stupenden Bilder loben? Oder, vielleicht die Subtilität, die in den kleinen Gesten des Bauernbubes den Machtmenschen bereits erkennen lässt?
Verblüffen wird uns vielleicht dürfen, dass in der Nähe eines Mächtigen der Schweizer Wirtschaft ein Jahr lang kein Geist anzutreffen war, der entlarven konnte, wie Christoph Blocher mit Versteckspielen und Poltern zu einem der reichsten Schweizer werden konnte. Die Geschichten von Bron werden uns vielleicht nicht klüger machen. Aber Bilder können entlarvender sein, als Worte. Bilder enthalten Gesten. Bilder enthalten Facetten der Macht. Eine Kameralinse kann wie eine Lupe sein. Wenn man lange genug und im richtigen Licht hinschauen darf, lässt sich in jedem Bild mehr Wahrheit lesen, als dessen Gesichter zugeben wollen. Das ist das, was Film so faszinierend macht: Er lässt aus einem Gesicht eine riesige Projektionsfläche entstehen. Dafür würden wir Bron gerne loben.
Blocher als Star auf der Piazza?
Nationalrat Blocher selbst sieht dem Ereignis in Locarno gelassen entgegen. Er hat dies schon vor einem Jahr im Fernsehen getan: Dabei war nicht entlarvend, dass er es in «Tele-Blocher» tat , das neben Baz und Winterthurer Landbote zu Medien-Pool des Milliardärs gehört. Entlarvend war auch nicht, was er sagte. Sondern wie er es sagte. Es ist nachstehend transkribiert:
Auch ein Mensch, der zwanzig Sprachen beherrscht, gebraucht seine Muttersprache, wenn er sich in den Finger schneidet. (Jean-Paul Belmondo)
Originalton des Blocher-Palavers auf Blocher-TV, ungekürzt, unverändert, wiedergegeben:
«Zersch zu dem Film.
Ich bi aagfrööget worde, im letschte Johr, vonere Filmgsellschaft,
do, in Gänf oder Lausanne, also uss der wälsche Schwiiz,
won ich der Name jetzt au nümme kenne, und eme Regisseur,
das isch ja der wichtigi, dr Regisseur.
Dä heisst, Bron, B R O N.
Säit de, losed Si, mir möchtet en Film mache,
wo Si im Mittelpunkt stönd.
Denn han ich gseit, jo, nei, immer die Film do, die Biografie bevors Läbe fertig isch,
das isch jo immer alles veraltet,
und ehm ..
da wett ich lieber nit.
Denn hätt er aber gschriibe und gmüedet,
het gseit, loosed Si, es goht nöd umen Film über Sii.
Es goht im Film über ihres Läbe hinter dem wo si gmacht händ politisch,
und als Unternehmer.
Öis interessiert nur, woher chunnt das?
Eigentlich, oder.
Säg ich, das isch no interessant,
das würd ich au gärn wüsse,
würd mich au interesssiere,
für mich, woher das das chunnt, ich weiss es nämlich au nid.
Denn hämmer gredt, zwei drei Stund gredt
und denn han ich gmerkt, das isch no es interessants Projekt,
eigentlich. Denn han ich ihm aber gseit, sind Sie sich im Klare,
dass, wenn sie der Name Christoph Blocher da inne händ,
händ si schon mal en Huufe do, vo der Classe Politique,
die sind verruckt und niidisch und ehm säged, das goht nöd.
Hetter gseit löhnd si das mini Sorg si.
Er hett im Sinn,
er wöll dermit ans Filmfestival 2013 nach Locarno.
Jo. Jo.
Uff der Grande Piazza.
Ich bin no nie döht gsi.
Han ich gseit. Guet. Es isch also mal en Kinofilm.
Ja, jetzt muess ich mal luege, öb d’Filmgsellschaft mitmacht.
Jetzt mache mer das,
und jetzt luegt er wägem Finanzielle und alles.
Und jetzt isch er dauernd um mich ume.
Also nöd dauernd.
Er het gwüssi Täg, woner filmet.
Ihn interessiert eigentlich mehr d’Vergangeheit.
Also s’Läbe interessiert ihn.
Da muener ä det ane, won ich ufgwachse bin. Also in Laufe am Rhyfall.
Das wird ein Mittelpunkt gäh.
Uhwise, wonich in d’Schuel gange bin, ischer go aaluege.
Aber jo, …. won ich uffgwachse bin won ich die landwirtschaftlichi Lehr gmacht han in Ossingen.
Er interessiert sich, wie das alles zschtand cho isch.
Denn het er gseit: Wie sind si eigentlich nach Domat Ems cho?
Wenn sind si s’erscht mal do gsi?
En Bsuech in der Chemiestund.
Denn isch meh dann gos Wärk aaluege. Denn han ich der Werner Oswald kenneglehrt.
Der Eigentümer vo Domat Ems.
Denn han ich es Zimmer übercho.
Wien ich de kenneglehrt han. Dr Oswald.
Also er tuet die Sache verfolge.
Er goht zu sehr villne Lüüt, wo das gseh händ oder au d’Örtlichkeite.
Ich weiss nit, was er füren Gschicht macht.
Das gsehn ich denn.
Er wott eigentlich zeige .. der Arbeitstitel isch: Der Titel isch: Christoph Blocher. Une Vie. Ein Leben.
Also er wot en Läbeswääg zeige, das isch jetzt zuefällig am Christoph Blocher sine.
Er bruucht en Uffhänger.
Ja, ja, der isch priisgekrönt.
Ich han au im Gspröch s’Gfüühl gha, sehr seriös, er göht in Tüüfi.
Denn han ich mich zur Verfüegig gestellt.
Aber das isch nid min Film. Das isch siine. Das isch sin Iidruck.
Es hett en Kamera im Auto.
Das isch bis jetzt d’Hauptsach.
Ich muess nüt mache.
Nur im Auto sitze. Also nüt mache.
Oder Ziitig läse. Oder telefoniere, oder schribe.
Das interessiert ihn.
Im Auto sitze und Ziitig läse.
Ich weiss nöd werum.
Das interessiert ihn.
Aaschiinend händ die vo dere Filmförderig, das git ja in Bern,
en Biitrag gschproche.
250 000.- .
Das gits. Das hanich gar nit gwüsst – das isch nöd miin Film! –
wo das finanziert.
Jetzt gits söttig, die findet das ganz furchtbar.
Ich fänds jo au nöd richtig, wenn er en politische Film würd mache über mich.
Das wär jetzt nöd guet.
Aber es isch ja en andere …
Es isch es anders Thema.
Drum hanich zuegseit.
Das muess ja s’Bundesamt für Kultur wüsse, welli Film si unterstützed,
da chanich nüt derzue säge.
Villicht sind die gar nöd eso links. Ich weiss es ä nöd.
Dä Journalischt isch weder links no rächts.
Es interessiert ihn sPolitischi nid. Bim Hildebrand.. das nimmt er so am Rand zur Kenntnis.
Was hett der eigentlich gmacht in de letschte Jahr?
De Fall Hildebrand. Das isch der Uffhänger.
Je nach dem wie me staht. Er will zeige, was staht da derhinder.
Das cha ja auch schiefgoh.
Endi 2012 wird das abgschlosse.
Die meischte Sache filmet er ohni mich.»
Das Original ist zu sehen auf Tele-Blocher.