Energieministerin Doris Leuthard hofft noch immer, dass die Schweiz am EU-Strommarkt teilnehmen kann. Nächste Woche will sie mit EU-Energiekommissar Miguel Arias Cañete in Brüssel verschiedene Lösungen diskutieren. Scheitert sie, wird es teuer für die Schweiz.
Seit diesem Jahr macht die EU Ernst mit dem Strombinnenmarkt. Kern der Integration ist ein neues Handelssystem, das sogenannte Market Coupling. Dabei werden der Strom und die Übertragungskapazität nicht mehr getrennt, sondern zusammen gehandelt. Vom verbesserten Handel verspricht man sich tendenziell tiefere Preise.
Davon haben die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten vorerst nichts. Das praktisch fertig verhandelte Stromabkommen, mit dem die Schweiz in den europäischen Strommarkt integriert werden sollte, liegt seit Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014 auf Eis. Die Schweiz droht auf den Status eines Drittstaates abzurutschen.
Um dies zu verhindern, hat der Schweizer Stromnetzbetreiber Swissgrid die faktische Integration in den EU-Strommarkt vorbereitet. Swissgrid schuf auf technischer Ebene die Voraussetzung für eine rein kommerzielle Marktkopplung, so dass eine Zusammenarbeit auch ohne Abkommen möglich wäre. Die EU-Kommission winkte jedoch ab: Eine faktische Kopplung ohne Abkommen sei nicht möglich, lautete der Bescheid.
Hoffen auf neue EU-Kommission
«Unter José Manuel Barroso war das eine klare Absage», sagte Leuthard der Nachrichtenagentur sda am Freitag am Rande des WEF in Davos. Der ehemalige EU-Kommissionspräsident habe eine Verbindung zum 9. Februar gemacht. Gut möglich, dass unter seinem Nachfolger Jean-Claude Juncker etwas sanftere Töne angeschlagen werden.
Energiekommissar Cañete hatte Leuthard bereits informell an der UNO-Klimakonferenz in Lima getroffen. «Ich habe festgestellt, dass es nicht mehr so absolut tönt», sagte sie.
Den gleichen Eindruck hatte sie in Davos beim Treffen mit Kommissions-Vizepräsident Maroš Šefčovič, der für die Energieunion zuständig ist. «Aber man kann nie wissen, wie das herauskommt.»
In Brüssel will Leuthard verhindern, dass die Schweiz von der EU beim Strom als Drittstaat behandelt wird. «Das würde uns viel Geld kosten», warnte sie.
Wie viel genau, können derzeit weder die Stromunternehmen noch Swissgrid oder das Bundesamt für Energie sagen. Sicher ist, dass höhere Importpreise oder die weniger effiziente Nutzung von Grenzkapazitäten im Portemonnaie Spuren hinterlassen würden.
Versuche «auf allen Kanälen»
Leuthard will sich in Brüssel darum weiter dafür einsetzen, dass die Schweiz rein auf technischer Ebene am europäischen Strommarkt teilnehmen kann. Eine denkbare Variante ist für sie auch, eine Art Übergangslösung einzurichten: Die Schweiz und die EU setzen das Stromabkommen trotz ungelöster Probleme im institutionellen Bereich und bei der Personenfreizügigkeit vorerst in Kraft.
Wenn die Probleme nicht gelöst werden könnten oder das Freizügigkeitsabkommen gekündigt werde, könne das Abkommen wieder aufgelöst werden, sagte Leuthard. «Das kann ja ein, zwei Jahre dauern.»
Für diese Lösungen will sich auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga bei ihrem Treffen mit Kommissionspräsident Juncker einsetzen. «Wir versuchen es jetzt einfach auf allen Kanälen», sagte die Energieministerin.