Nach wochenlangen Unruhen mit Toten und einem politischen Machtvakuum haben die Libyer ein neues Parlament gewählt. Die Beteiligung an der massiv abgesicherten Abstimmung war nach Angaben lokaler Medien zunächst nur mässig. Meldungen über gewaltsame Zwischenfälle lagen keine vor.
Es ist die zweite Wahl eines Parlaments seit dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011. Viele Libyer hoffen, dass mit der Abstimmung eine neue Phase im Übergang zur Demokratie beginnt – in der eine Verfassung geschrieben wird und die Übergangsinstitutionen durch reguläre ersetzt werden.
Erste Ergebnisse werden innerhalb einer Woche erwartet. Danach soll zunächst eine neue Übergangsregierung gebildet werden.
1,5 Millionen Wähler haben sich nach Angaben der Wahlkommission registrieren lassen. Das sind deutlich weniger als bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren – damals waren es 2,7 Millionen. 1628 Kandidaten bewerben sich um einen der 200 Sitze, 32 sind für Frauen reserviert.
Um politische Spannungen zu mindern, treten nur unabhängige Kandidaten an – Parteilisten gibt es nicht. Viele Bewerber sind kaum bekannt – die Wähler wissen also nicht, wofür diese stehen. Beobachter des «Europäischen Rats für Auswärtige Beziehungen» (ECFR) analysierten: «Die Abwesenheit politischer Blöcke könnte zur Wahl lokaler Führer ohne klare Zugehörigkeiten führen.»
Im Osten teilweise keine Wahlen
In der Hauptstadt Tripolis gab es nach Angaben staatlicher und unabhängiger Medien Warteschlangen vor Wahllokalen. In Bengasi war die Beteiligung demnach hingegen gering. In der Hafenstadt – wo zuletzt am meisten gekämpft wurde – soll das neue Parlament künftig anstelle von Tripolis tagen.
In einigen östlichen Gebieten wie in Derna konnte nach extremistischen Drohungen aus Sicherheitsgründen gar nicht gewählt werden. Im Süden des Landes haben einige Stämme zum Boykott aufgerufen.
Der bisherige Kongress war zuletzt von der islamistischen Muslimbruderschaft dominiert. Dabei war aus der ersten Parlamentswahl in der Geschichte Libyens 2012 noch die liberale Allianz der Nationalen Kräfte (NFF) als stärkste Kraft hervorgegangen – die Islamisten stellten die zweitgrösste Fraktion.