Der Vize-Präsident des libyschen Übergangsrats (NTC), Abdelhafis Ghoga, ist nach heftigen Protesten zurückgetreten. Zuvor hatten Demonstranten den NTC-Sitz in der Hafenstadt Bengasi gestürmt.
Ghoga kündigte seinen Rücktritt am Sonntag gegenüber dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira an. Im Interesse des Landes trete er zurück, sagte Ghoga telefonisch gegenüber dem Sender.
Aufgebrachte Studenten hatten Ghoga am vergangenen Donnerstag auf dem Gelände der Garjunis-Universität in Bengasi verprügelt. Sie warfen ihm vor, er sei ein Wendehals, der früher Gaddafi gehuldigt habe.
Ghoga hatte im Februar vergangenen Jahres zu den Organisatoren der ersten Proteste gegen den damaligen Machthaber Muammar al-Gaddafi gehört. Unter Gaddafi hatte Ghoga als Anwalt politische Gefangene vertreten.
Der Vorsitzende des Übergangsrats, Mustafa Abdel Dschalil, warnte vor einer Gewaltspirale. Die Proteste bedrohten die ohnehin gefährdeten Sicherheitsstrukturen, sagte Dschalil am Sonntag in Benghasi. Das nordafrikanische Land laufe Gefahr, zu einem Fass ohne Boden zu werden.
Umstrittenes Wahlgesetz
Zwischen jungen „Revolutionären“ und dem Nationalen Übergangsrat ist ein Machtkampf in Gang, der den Demokratisierungsprozess in Libyen belastet. Auslöser des Streits, der auch mit Fäusten und Waffen ausgetragen wird, ist unter anderem der umstrittene Entwurf eines Wahlgesetzes.
Eine wütende Menge von Kritikern des Übergangsrates stürmte am Samstag den Sitz des NTC in Bengasi, als die Ratsmitglieder gerade über das Wahlgesetz diskutierten. Es kam zu einem Handgemenge, bei dem auch Schüsse fielen.
Das umstrittene Gesetz, das eigentlich an diesem Wochenende veröffentlicht werden sollte, legt die Regeln für die Wahl zum Allgemeinen Rat fest. Dieser hat die Aufgabe, eine Verfassung zu formulieren. Die Wahl ist für den kommenden Juni geplant.
Gestritten wird derzeit unter anderem über die Frage, ob es eine Frauenquote geben soll und wer kandidieren darf. Nach einem inoffiziellen Entwurf dürfen sich keine hochrangigen Funktionäre aus der Gaddafi-Ära, keine wegen Korruption verurteilten ehemaligen Beamten und keine Mitglieder des Übergangsrates oder der Übergangsregierung um eines der 200 Mandate bewerben.