Lichtspiel: Die Geräuschkulisse

Ein Blick hinter die Geräuschkulissen eines Tonstudios: Das Stadtkino zeigt eine längst fällige ‚Giallo‘- Reihe und den Leckerbissen mittendrin: ‚Berberian Sound Studios‘. Wir sind geübt im Wegschauen. Kinogänger entwickeln darin besonders viel Routine: Wer Schlimmes auf sich zukommen sieht, schliesst einfach die Augen. Die wenigsten sehen bei Horrorfilmen hin. Sie hören vom expliziten Horror bloss. […]

Ein Blick hinter die Geräuschkulissen eines Tonstudios: Das Stadtkino zeigt eine längst fällige ‚Giallo‘- Reihe und den Leckerbissen mittendrin: ‚Berberian Sound Studios‘.

Wir sind geübt im Wegschauen. Kinogänger entwickeln darin besonders viel Routine: Wer Schlimmes auf sich zukommen sieht, schliesst einfach die Augen. Die wenigsten sehen bei Horrorfilmen hin. Sie hören vom expliziten Horror bloss.

Wer durch Wegschauen der Gegenwart entkommen will, unterliegt allerdings einem Trugschluss: Die Phantasie besitzt die Fähigkeit das Entsetzliche vor unserem inneren Auge weiterzuspinnen – in erträglicher Dosis – von unserem Ohr verhängnisvoll ergänzt. Wer wegschaut, lauscht naturgemäss genauer.
Nicht nur das. Wem gesagt wird, was er hören soll, hört, als sähe er das Gesagte vor sich. Das Meer in der Muschel. Pferdehufe beim Klappern von zwei Kokoshälften. Ein Zombie-Massacker beim Kabiskopf-Schneiden …

Den Filmemachern ist das nicht entgangen: Sie haben es sich zunutze gemacht, dass Zuschauer leicht die Augen, schlechter aber die Ohren verschliessen können. Spätestens seit dem Duschvorhang in Hitchocks «Psycho» wissen wir, wie es klingt, wenn wir am Weghören gehindert werden sollen.

Nun hat Peter Strickland just aus jenen Augenblicken, wo wir – dank wegschauen – genauer lauschen, einen Film gemacht: Ein begnadeter Geräuschemacher (Toby Jones spielte in «The Girl» auch schon Hitchcock) wird in das «Berberian Sound Studio» geladen, um einen italienischen Meisterregisseur beim Vertonen von dessen Film zu helfen. Der Mann hat ein grosses Herz für Film und empfindliche Ohren.

Was Strickland um den Tontüftler herum geschehen lässt, ist bald mehr als nur ein geniales Spiel mit Schein und Täuschung. Gilderoy entwickelt in seiner Geräuscheküche Sounds, die Luciano Berios «Inferno» ebenso Ehre machen würden, wie einem modernen Horrorfilm. Das Geniale daran: Man braucht nicht wegzusehen. Im Gegenteil. Es macht Spass, dem Gehörten auch zuzuschauen. Wer die «Berberian Sound Studios» besucht, wird fortan entspannter im Kino sitzen. Und auch bei den Filmen aus der «Giallo»-Reihe im Stadtkino das tun, was wir auch ausserhalb des Kinos wieder mehr tun sollten: Genau hinschauen!

Nächster Artikel