Paukenschlag in Israel: Knapp sechs Wochen vor der Parlamentswahl hat Aussenminister Avigdor Lieberman am Freitag seinen Rücktritt eingereicht. Der 54-Jährige zog mit diesem Schritt die Konsequenzen aus einer Anklage im Zuge einer Affäre um Begünstigung.
„Obwohl ich kein Gesetz gebrochen habe, habe ich beschlossen, von meinen Ämtern als Aussenminister und stellvertretender Ministerpräsident zurückzutreten“, erklärte Lieberman. Er wolle noch vor den vorgezogenen Parlamentswahlen am 22. Januar seinen Namen reinwaschen.
Seine Rechtsanwälte hätten ihm zu dem Schritt geraten. So könne er die Vorwürfe schnell vor Gericht ausräumen und nach einem Freispruch in der kommenden Regierung wieder ein Amt übernehmen. Lieberman war seit dem 31. März 2009 Aussenminister gewesen.
Nach dem Rücktritt Liebermans übernimmt Regierungschef Benjamin Netanjahu vorübergehend auch dessen Aufgaben. Das berichtete Radio Israel am Freitag. Netanjahu habe die Hoffnung geäussert, dass Lieberman die gegen ihn erhobenen Vorwürfe schnell entkräften könne.
Vertrauensbruch und Betrug
Am Donnerstag hatte Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein Lieberman wegen Vertrauensbruchs und Betrugs angeklagt. Ihm wird zur Last gelegt, im Dezember 2009 Israels Botschafter in Weissrussland, Seev Ben Arieh, trotz der Kenntnis laufender Vorwürfe befördert zu haben.
Dem Botschafter wurde vorgeworfen, Lieberman vertrauliche Informationen zu Ermittlungen der weissrussischen Polizei gegen dessen Person übermittelt zu haben. Die israelische Justiz hatte Minsk um Hilfe bei den Ermittlungen gegen Lieberman gebeten.
Ben Arieh musste schliesslich wegen der Vorwürfe im April 2010 in Minsk seinen Hut nehmen. Ende Oktober wurde er in der Angelegenheit zu vier Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
Mangel an Beweisen
Ein anderes, für Lieberman wesentlich gefährlicheres Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Geldwäsche wurde zugleich nach zwölfjähriger Dauer aus Mangel an Beweisen eingestellt. Er wurde verdächtigt, illegal Geld von Unternehmern erhalten und es mithilfe von Briefkastenfirmen gewaschen zu haben.
Die Vorwürfe bezogen sich auf die Jahre 2001 bis 2008, als Lieberman Abgeordneter war und verschiedene Ministerämter bekleidete. Lieberman hatte in den letzten Jahren stets alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zurückgewiesen und sie als politisch motiviert bezeichnet.
Mögliche Turbulenzen
Nach der Anklageerhebung vom Donnerstag hatte die Opposition Liebermans Rücktritt gefordert. Die Arbeitspartei sprach von einer „Gefahr für die israelische Demokratie, wenn Herr Lieberman nicht zurücktritt“.
Der Rücktritt Liebermans könnte nun die Koalitionsregierung vor der Parlamentswahl in Turbulenzen stürzen. Liebermans nationalistische Partei Unser Haus Israel (Israel Beitenu) ist mit 15 der 120 Knesset-Abgeordneten eine Säule der Mitte-rechts-Regierung.
Zusammen mit Netanjahus Likud-Partei hatte Lieberman vor kurzem eine gemeinsame Kandidatenliste für die Wahl gebildet. Nach letzten Umfragen wird der Likud-Beitenu-Block die stärkste politische Kraft im Parlament, aber mit 35 bis 38 der 120 Sitze eine absolute Mehrheit deutlich verfehlen.