Zwei völlig unterschiedliche Typen drücken in den Eishockey-Playoffs der ersten Halbfinalwoche den Stempel auf: Perttu Lindgren vom HC Davos und Berns Thomas Ruefenacht.
Auch am Dienstag im vierten Spiel machten beide wieder auf sich aufmerksam. Lindgren, der stille Finne und Skorer, verwandelte für Davos innerhalb von fünf Minuten zwei Penaltys – die beiden einzigen HCD-Treffer vor der Verlängerung. Bei Lugano – Bern gelang es Ruefenacht, dem Arbeiter, für einmal nicht, die Luganesi zu provozieren. Dafür eroberte er anderthalb Minuten vor Schluss mit einem Effort den Puck, was wenig später Andrew Ebbett das siegsichernde 3:1 ins leere Tor ermöglichte.
Lindgren: Angeschlagener «MVP»
Wenn Perttu Lindgren trifft, gewinnt der HC Davos. So einfach lässt sich die Halbfinalserie zwischen dem Rekordmeister und Zug zusammenfassen. Am Samstag leitete der 29-jährige Finne mit dem 2:3 und dem 3:3 die Wende ein, am Dienstag verwertete er beim 3:2-Heimsieg seine zwei Penaltys auf unnachahmlich coole Art und bereitete in der Verlängerung den Siegestreffer von Enzo Corvi vor.
Der Nordländer aus Tampere mit dem blassen Teint ist kein Mann der grossen Worte. Einblick in sein Innenleben gibt er nur indirekt. Wie er am Samstag nach dem Shorthander zum 2:3, seinem ersten Goal in den Halbfinals, jubelte, zeigte überdeutlich, welche Last von seinen Schultern gefallen war. Zweieinhalb Spiele lang hatte er unglücklich gekämpft. Er rannte nicht nur einem Erfolgserlebnis hinterher, er verschuldete auch die ersten zwei Gegentore in Zug mit.
«Akzeptabel», fühle er sich. «Wenn du gewinnst, ist es okay. Wenn du verlierst, fühlst du dich beschissen.» Lindgrens Ladehemmungen bis zum Samstag hatte gute Gründe. Er leidet an Hüftproblemen; nach dem Saisonende wird wohl eine Operation nötig. Wie stark die Schmerzen sind, verrät er nicht. Jetzt sei nicht der Zeitpunkt, man könne Ende Saison darüber reden.
Klar ist, dass die Davoser Finalaussichten eng mit der Form des letztjährigen MVP zusammenhängen. An Einsatz und Willen fehlte es Lindgren bereits in den ersten Partien gegen Zug nicht, seit Samstag ist das Selbstvertrauen zurück. Mit dem Finnen in Form sind die Bündner in jeder Beziehung wieder konkurrenzfähig. Im Powerplay ist Lindgren die zentrale Figur, und in Unterzahl ist er brandgefährlich. Der erste Penalty am Dienstag war sein siebter Shorthander der Saison – natürlich ein einsamer Liga-Bestwert.
Ruefenacht als Beispiel für Berns Disziplin
Thomas Ruefenacht ist ein ganz anderer Typ als Lindgren. Er erwies sich für Bern letzte Woche aber als nicht minder wichtig. Lugano gewann das erste Spiel in Bern und war am Dienstag in der Resega klar besser (41:20 Schüsse). Dass Bern dennoch vor dem Finaleinzug steht, liegt primär an einem Mann: Thomas Ruefenacht ging den Luganesi derart unter die Haut, dass diese zweimal jegliche Disziplin verloren und in den Spielen 2 und 3 doppelt und viermal so viele kleine Strafen kassierten wie der SC Bern. Und Bern entschied mit Powerplay-Toren beide Spiele.
Ruefenacht hier, Ruefenacht da, Ruefenacht überall: Zuerst provozierte er Luganos Heisssporn Maxim Lapierre, sein Lieblingsopfer, mit der Bemerkung, dass er, Lapierre, soeben von Berns kleinstem Spieler (Ryan Lasch) lächerlich gemacht worden sei. Später in der Serie genügte schon die Frage: «Wie geht es deiner Familie?», um Lapierres Blut in Wallung zu bringen. Und zwischen allen Provokationen gelangen Ruefenacht auch noch Tore – sogar gleich drei letzten Samstag beim 4:1-Heimsieg.
Im Eishockey gelten Provokateure wie Ruefenacht als «Playoff-Spieler.» Vor acht Jahren wurde er in der NLB mit Lausanne erstmals Meister. Unvergesslich ist die Szene, als er vor dem ersten Bully von Spiel 7 der Ligaqualifikation Biels Topskorer Thomas Nüssli bis aufs Blut reizte, dass sich Nüssli zu einer Schlägerei hinreissen liess. Für Biels Schlüsselspieler und für Ruefenacht war die Partie zu Ende, noch ehe sie begonnen hatte. Letzten Samstag tat Ruefenacht das Gleiche mit Lapierre – um ihn dann nach ein paar kassierten Faustschlägen einfach stehen zu lassen. «Hart zu spielen heisst auch, einstecken zu können», so Ruefenacht. Seinen Emotionen lässt er in den Playoffs nur freien Lauf, wenn er der Meinung ist, dass er damit dem Team hilft.
Probleme mit seiner Spielweise haben nur Ruefenachts Gegner. Er selber erachtet sich sicher nicht als «schmutzigen» Spieler. «Und selbst wenn ich einer wäre: Ich bin lieber auf dem Eis so als neben dem Eis. Aber ich denke, in den Playoffs wollen die Zuschauer genau das auch sehen – Emotionen und von Zeit zu Zeit einen Kampf. Ich biete genau das.»