Die Linke unter Alexis Tsipras hat die Parlamentswahl in Griechenland überraschend klar gewonnen. Schon am Wahlabend verständigte sich Tsipras mit dem Vorsitzenden der rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel), Panos Kammenos, auf eine Regierungskoalition.
Nach Auszählung von rund 61 Prozent der Stimmen lag das Linksbündnis Syriza bei 35,5 Prozent der Stimmen. Der grösste Herausforderer, die Nea Dimokratia (ND) unter Evangelos Meimarakis, kam auf 28,1 Prozent.
ND-Chef Meimarakis räumte seine Niederlage umgehend ein. Als drittstärkste Kraft geht aus der Parlamentswahl die rechtsradikale Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi) mit knapp 7,2 Prozent der Stimmen hervor. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 55 Prozent.
Die Links-Rechts-Koalition von Tsipras und Kammenos hatte das Land bereits nach der Wahl im Januar für sieben Monate regiert. Umfragen hatten ein deutlich knapperes Rennen zwischen Linken und Konservativen vorausgesagt, auch in der ersten Prognose am Wahlabend war nur von einem hauchdünnen Vorsprung für Syriza die Rede.
Die Neuwahl war nötig geworden, weil Tsipras am 20. August seinen Rücktritt als Ministerpräsident erklärt hatte – um die Gegner in seiner eigenen Partei loszuwerden und sich ein stabiles Mandat der Wähler zu sichern.
Die Syriza hatte sich über die den Gläubigern zugesagte Sparpolitik gespalten. Ihr Ableger, die Volkseinheit (Lae), wäre dem Zwischenergebnis zufolge nicht im Parlament. Sie kommt auf 2,8 Prozent der Stimmen, lag damit also knapp unter der Drei-Prozent-Hürde.
Instabilität, Schulden und Arbeitslose
Mehrere Regierungswechsel haben zur Destabilisierung Griechenlands beigetragen. Seit dem Beginn der Krise im Jahr 2009 gab es bereits fünf Regierungen. Seit 2012 ist es die vierte Parlamentswahl. Die Wirtschaft ist seit 2010 um ein Fünftel geschrumpft. Jeder vierte Grieche ist arbeitslos. Fast jeder Zweite unter 25 hat keinen Job. In den kommenden Jahren stehen weitere Spar- und Reformauflagen an.
Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet dem Land der Flüchtlingszustrom über die griechische EU-Aussengrenze. Mehr als 300’000 Menschen sind bereits registriert worden.
Die Syriza hat nach Angaben des Innenministeriums auf Basis der Auszählung 144 Sitze im Parlament, die Anel 10. Für eine absolute Mehrheit sind 151 der 300 Sitze des Parlaments notwendig. Die ND kam den Angaben nach auf 75 Mandate, die Goldene Morgenröte auf 20.
Die panhellenische sozialistische Bewegung (Pasok) und die kleine demokratische Linke (Dimar), die für die Wahl ein Bündnis gebildet hatten, lagen laut Innenministerium bei 17, die Kommunisten bei 15. Die Partei der politischen Mitte To Potami kam auf 10 Mandate und die Zentrumsunion auf 9.
Dijsselbloem warnt vor Wankelmütigkeit
Tsipras hatte im Wahlkampf ein «sanfteres» Sparprogramm versprochen, dessen Details noch ausgehandelt werden müssten. Er stellte zudem Nachbesserungen beim Abbau des Schuldenberges in Aussicht. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem warnte allerdings bereits vor einer Nachverhandlung des zugesagten dritten Hilfspakets für Griechenland von bis zu 86 Milliarden Euro. Athen müsse die Reformauflagen einhalten und weiter sparen – auch unter einer neuen Regierung.
Im Januar hatte Tsipras seine Amtszeit noch mit dem Versprechen angetreten, das Sparprogramm der Geldgeber aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) rückgängig zu machen. Die Verhandlungen zogen sich sieben Monate lang hin.
Tsipras‘ Zick-zack-Kurs löst Ärger aus
Vor einem entscheidenden Treffen der Eurogruppe über die abschliessende Tranche aus dem zweiten Hilfspaket im Juni kündigte der linke Regierungschef überraschend ein Referendum über die Vorschläge der Geldgeber an und zog damit deren Ärger auf sich.
Auch ein zeitweiliger Austritt Griechenlands aus der Eurozone stand zur Debatte. Die Banken im Land mussten vorübergehend schliessen und Kapital-Verkehrskontrollen eingeführt werden, weil die Bürger ihr Geld von den Konten abzogen.
Nach der Volksabstimmung, in der das Spardiktat abgelehnt wurde, vollzog Tsipras eine Kehrtwende und stimmte letztendlich noch härteren Spar- und Reformauflagen zu – als Teil eines dritten Hilfspakets für sein Land. Sie sehen etwa Privatisierungen von Staatsbetrieben und die Liberalisierung der Arbeitsmärkte vor. Im Gegenzug dafür erhält Athen Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro. Das Geld dafür kommt überwiegend aus dem Euro-Rettungsfonds ESM («Europäischer Stabilitätsmechanismus»).