Das linke Komitee gegen die SVP-Familieninitiative kritisiert das Begehren als Mogelpackung und Etikettenschwindel. Von einem Steuerabzug für die Betreuung von Kindern zu Hause profitieren laut SP, Grünen und Gewerkschaften nur reiche Familien.
Aus Sicht des linken Nein-Komitees gibt die SVP nur vor, sie fördere mit ihrer Familieninitiative die Familie. In Wahrheit strebe sie eine Umverteilung von Armen zu Reichen an, hielten Vertreterinnen und Vertreter der SP, der Grünen und der Gewerkschaftsdachverbände SGB und Travail.Suisse am Freitag vor den Medien in Bern fest.
Das Komitee präsentierte seine Gegenkampagne zur Volksinitiative, über die am 24. November abgestimmt wird. Diese verlangt, dass Eltern, welche ihre Kinder selbst betreuen, einen mindestens gleich hohen Abzug geltend machen dürfen wie Familien, die ihre Kinder in eine Tagesstätte oder eine ähnliche Einrichtung geben. Für die Fremdbetreuung gibt es seit 2011 einen Steuerabzug.
«Grosse Mehrheit wird nicht profitieren»
Von einem sogenannten Selbstbetreuungsabzug könnten nur gut situierte Familien profitieren, sagte SP-Nationalrätin Cesla Amarelle (VD). «Je höher das Einkommen, umso grösser das Steuergeschenk.» Der Grund dafür liegt in der Progression der Steuersätze. Wer viel Steuern bezahlt, dem nützen höhere Abzüge auch mehr.
«Die grosse Mehrheit der Familien wird von dieser Initiative nicht profitieren», fügte Grünen-Nationalrätin Yvonne Gilli (SG) an. Von einem einzigen Einkommen leben könnten nur begüterte Familien – und diese hätten eine Unterstützung durch einen Steuerabzug nicht nötig. Berechnungen zeigten, dass Eltern, die zusammen mehr als 140 Prozent arbeiten, mit der Initiative schlechter dastehen würden als heute.
Frauen wollten aber auch mit Kindern erwerbstätig bleiben. Schädlich könnte sich der Anreiz zur Selbstbetreuung auch auf das heute schon im internationalen Vergleich hohe Lohngefälle zwischen Frauen und Männern auswirken. Dieses entstehe dadurch, dass viele Frauen nur Teilzeit arbeiten.
Gilli wirft der SVP vor, sie orientiere sich an der Ideologie einer Minderheit. Weniger als ein Drittel der Familienhaushalte lebten heute noch im Einverdienermodell. «Die Mehrheit der Familien ist wirtschaftlich auf zwei Einkommen angewiesen», sagte sie.
Doppelter Schaden
Mit schätzungsweise bis zu 1,4 Milliarden Franken Steuerausfällen seien zudem die Kosten exorbitant, und die Initiative ermuntere Mütter, am Herd zu bleiben, hielten die Gegner weiter fest. Das schade den Staatsfinanzen gleich doppelt: «Frauen würden weniger arbeiten und damit weniger Einkommen versteuern, gleichzeitig könnte der Mann einen grosszügigen Abzug machen», sagte Amarelle.
Die Gegner kritisieren zudem, dass die Initiative die Gleichbehandlung der Familienmodelle zunichte mache, die durch den Fremdbetreuungsabzug erst geschaffen wurde. «Bei dieser Initiative geht es um die Bevorzugung des Einverdiener-Familienmodells und nicht um die Gleichbehandlung», sagte Travail.Suisse-Präsident Martin Flügel.
Für viele Familien könnte die Initiative laut Flügel zum Bumerang werden. Die absehbaren Steuerausfälle müssten Bund und Kantone einsparen, was mit grosser Wahrscheinlichkeit bei der Verbilligung für Krankenkassenprämien oder Schulgeldern passieren dürfte. Solche Sparmassennahmen würden besonders die Familien treffen.
Christina Werder vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) sprach von einem «klassischen Eigentor» bei einer Annahme der Initiative. Während wenige profitieren könnten, würden alle die Zeche bezahlen.
Keine grössere Kampagne geplant
Eher überraschend zeigte sich in der ersten gfs-Umfrage im Auftrag von SRG SSR eine klare Mehrheit (64 Prozent) für die SVP-Familieninitiative. Dieses Resultat sei «erschreckend», sagte Gilli. Die Gegner müssten nun informieren und aufzeigen, dass den meisten Familien die Initiative nur Nachteile bringe.
Allerdings steht der Abstimmungskampf im Schatten der 1:12-Initiative, die ebenfalls am 24. November zur Abstimmung kommt. Eine grossflächige Kampagne planen deshalb weder das linke noch das bürgerliche Komitee. Davon könnte die SVP profitieren.